90.000 Touristenunterkünfte auf den Balearen legalisiert
Das Parlament der Balearen hat ein umstrittenes Dekret bestätigt, das rund 90.000 bisher nicht regulierte Touristenunterkünfte legalisiert. Kritiker werfen der Regierung vor, Wohnraum zugunsten des Tourismusmarkts zu entziehen und die lokale Bevölkerung zu verdrängen.

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Auf den Balearen werden rund 90.00 Touristenunterkünfte nachträglich legalisiert
Mit dem aktuellen Dekret der Balearen-Regierung unter Beteiligung von konservativen PP und der rechtsextremen Vox werde die touristische Nutzung von rund 90.000 bislang nicht genehmigten Unterkünften nachträglich legalisiert, berichten mehrere spanische Medien, darunter das Fachportal Preferente. Der Schritt sorgt für scharfe Kritik und gilt als politisch höchst umstritten. Selbst Gewerkschaften und Teile der Reisebranche äußerten am 1. Mai öffentlich ihren Protest.
Das Dekret betrifft etwa ein Fünftel des gesamten Wohnungsbestands der Inseln. Die Maßnahme soll nach Regierungsangaben vor allem dazu dienen, Familien am wirtschaftlichen Erfolg des Tourismus teilhaben zu lassen. Kritiker sehen jedoch eine weitere Förderung des Massentourismus und die Verdrängung der einheimischen Bevölkerung durch steigende Mieten und knappen Wohnraum.
Wachsende Wohnraumknappheit
In den vergangenen zehn Jahren ist ein erheblicher Teil des Wohnraums auf den Balearen in touristische Unterkünfte umgewandelt worden. Infolgedessen leben zunehmend mehrere Personen in überbelegten Haushalten. Besonders betroffen sind Familien mit niedrigem Einkommen sowie Neuankömmlinge aus wirtschaftlich schwächeren Regionen.
Diese Entwicklung wird von vielen als schleichender Verlust der lokalen Identität wahrgenommen. Die oppositionellen Parteien PSIB, Més und Podemos hatten das Modell während ihrer Regierungszeit selbst mitgestaltet, lehnen es nun aber in ihrer neuen Rolle ab. Beobachter sprechen von einem Paradigmenwechsel in der politischen Verantwortung.
Kritik aus verschiedenen Lagern
Der Schritt der Balearen-Regierung stößt auch bei lokalen Gewerkschaften auf Ablehnung. Diese befürchten laut Preferente eine Verschärfung der sozialen Spannungen. Touristische Unternehmen äußerten ebenfalls Bedenken, obwohl sie selbst vom Tourismus profitieren. Es sei nicht sinnvoll, kurzfristige wirtschaftliche Interessen gegen langfristige soziale Stabilität auszuspielen, argumentieren sie.
Anders als in anderen spanischen Regionen wie Madrid, Málaga oder Barcelona verfolgt die Balearen-Regierung derzeit keinen strategischen Ausbau des hochwertigen Hotelangebots. In den vergangenen drei Jahren blieb ein Zustrom internationaler Luxushotelmarken weitgehend aus – im Gegensatz zu anderen Regionen, die gezielt auf zahlungskräftigere Zielgruppen setzen.
Das Dekret markiert aus Sicht vieler Beobachter einen Einschnitt, der langfristige Auswirkungen auf die soziale Struktur und die wirtschaftliche Ausrichtung der Balearen haben könnte. Die Diskussion um die Balance zwischen Tourismusförderung und Lebensqualität bleibt weiter aktuell.
Christian Schmicke