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8. Januar 2025 | 07:00 Uhr
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Wie Kanadas Métis den Tourismus entdecken – und umgekehrt

Taugt die indigene Geschichte Kanadas als spannendes Reiseprodukt? Offenbar ja, wie die Métis Crossing Lodge in der Provinz Alberta zeigt. Hier präsentieren die Nachfahren europäischer Pelzhändler und indigener Frauen stolz ihre Herkunft, Kultur und Traditionen. Ein Ort der Geschichtenerzähler, zum Mitmachen und des Bison-Comebacks.

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Joe Urie, Chef der Jasper Tour Company, erzählt gerne Geschichten über seine Herkunft und die seiner Volksgruppe, der Métis 

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Joe wirft ein Holzscheit in die Glut, damit das Feuer nicht ausgeht. Ein Dutzend Touristiker sitzt im Kreis um ihn herum, eingemummelt in dicke Filzponchos. Hier am North Saskatchewan River im kanadischen Alberta wird es auch im Juni abends frisch. Die Reiseprofis lauschen Joe Urie. Der 58-Jährige erzählt Geschichten – vom Adler, der hoch über uns kreist, von der Bedeutung des Tabaks für die First Nations und von seinen eigenen Wurzeln. Joes Vorfahren stammen aus Frankreich, seine indigene Seite sind die Cree. Seine Geschichte ist die der indigenen Volksgruppe Métis .

Der Ort passt. Wir sind in Métis Crossing, einer komfortablen Lodge rund 100 Kilometer nordöstlich der Großstadt Edmonton (Foto unten). Doch Métis Crossing ist mehr als eine Unterkunft. Hier werden Traditionen gepflegt, die Geschichte Métis erzählt und Bisons in geschützter Umgebung gehalten. Für Kanada-Reisende ein faszinierender Zwischenstopp, der sie in die Pionierzeit Kanadas eintauchen lässt. Joe ist einer der Métis , die ihr Volk Besuchern näher bringen wollen. Als Chef seiner Jasper Tour Company macht er das auch professionell.

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Métis haben europäische und indigene Wurzeln

Die Ursprünge der Métis  liegen im späten 18. Jahrhundert. Damals besiedelten europäische Pelzhändler den Mittleren Westen Nordamerikas und machten Geschäfte mit den First Nations. Die Siedler kamen vor allem aus Irland, Schottland und Frankreich. Sie heirateten Frauen der First Nations und blieben, viele ließen sich in der Nähe von Winnipeg nieder. Aus den Kindern der Mischlinge entstand später die Metis-Nation. Es entwickelte sich eine eigene Kultur mit besonderen Traditionen, Sprachen und Lebensweisen.

Lange Zeit galten die Métis in Kanada jedoch nicht als indigenes Volk, sie mussten um diesen Status kämpfen und erhielten ihn erst 2019. Aus Angst vor Diskriminierung gaben viele ihre Abstammung nicht öffentlich zu. Das ist heute anders. Die meisten Metis sind stolz auf ihre indigenen Wurzeln und verstecken sich nicht mehr. Eine knallrote, gemusterte Schärpe um den Bauch ist ein auffälliges Erkennungszeichen, das zu bestimmten Anlässen getragen wird. Eine waagerechte 8, das Zeichen für Unendlichkeit, ist das Flaggensymbol der Metis. Das Zeichen findet sich häufig auf Kleidung und Schmuck. Die Métis demonstrieren damit ihre Zugehörigkeit. Heute leben mehr als eine halbe Million Métis in Kanada.

Juanita Marois ist eine von ihnen und man sieht ihr – wie vielen anderen Métis  – die indigenen Wurzeln nicht an. Die Chefin von Métis Crossing ist blond. Seit über 20 Jahren arbeitet Marois als Managerin im Tourismus. Sie engagiert sich in zahlreichen Gremien, zum Beispiel bei Travel Alberta.  Selbstbewusst trommelt sie für ihre Volksgruppe, seit 2019 leitet sie Métis  Crossing.

Sterne und Polarlichter gucken im Sky Watch Dome

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Mehr als 25 Millionen Dollar hat eine Art Kooperative, die den Métis gehört, in Métis Crossing investiert. Doch kurz nach der Eröffnung der Lodge brach die Corona-Krise aus und machte den Plänen für das Kulturzentrum zunächst einen Strich durch die Rechnung. Doch Marois und ihr Team überwanden die Krise und Métis Crossing bestand seine Feuertaufe im Tourismusgeschäft.

Die Lodge thront über dem Fluss und verfügt über 40 geräumige und modern ausgestattete Zimmer. Dazu kommen so genannte Sky Watching Domes, igluförmige Unterkünfte mit Glasdach (Foto oben). Vom Sofa oder Bett aus lässt sich der Sternenhimmel beobachten, der wegen der geringen Lichtverschmutzung hier besonders eindrucksvoll funkelt. Von Herbst bis ins Frühjahr sind mit etwas Glück auch Polarlichter zu sehen. Métis Crossing bietet auch Stellplätze für Wohnmobile und Trapperzelte. Métis-Kultur kommt auch auf den Tisch. In Bistro und Restaurant serviert die Küche traditionelle Gerichte, aber auch Fusionsküche, die indigene und moderne Rezepte mischt.

Das Leben der Métis vor 150 Jahren

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Das frühere Leben der Metis wird überall auf dem Gelände lebendig. Auf geführten Touren lernen Besucher Pflanzenarten der Region und ihren Nutzen kennen, erfahren mehr über Biberfelle und die Eigenheiten der begehrten Tiere. Im Nachbau eines Hauses tauchen sie in das Leben einer Métis-Familie des frühen 19. Jahrhunderts ein (Foto oben). Das Haus ist komplett eingerichtet, die Utensilien wie Herd oder Werkzeuge dafür wurden aus dem ganzen Land zusammengetragen. Im Garten nebenan wachsen Gemüse und Zutaten für die Métis-Küche.

Das Buffalo Camp erzählt vom Leben der Bisonjäger. Heute werden die Tiere hier im Métis Crossing Wildlife Park gehegt und gepflegt. Die mächtigen Bisons waren einst vom Aussterben bedroht, im eingezäunten Park können sie sich geschützt wieder vermehren. Rund 60 Tiere streifen über das weitläufige Gelände, auf geführten Jeep-Touren bekommen Besucher sie vor die Kamera. Besonders begehrt sind Fotos der Albino-Bisons mit ihrem fast weißen Fell (Foto unten).

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Aktiv werden die Besucher auf dem Saskatchewan River. Mit dem Kanu paddeln sie einige Kilometer bis zur Victoria Settlement Provincial Historic Site. Dort erwarten sie Männer und Frauen in historischer Kleidung aus der Zeit, als die Hudson Bay Company mit ihren Siedlungen immer weiter nach Westen vordrang. Das Victoria Settlement sind die Überreste eines Forts aus dieser Zeit, in dem das Leben und Arbeiten nachgestellt wird.

Métis Crossing in den Programmen der Reiseveranstalter

Reisebüros in Deutschland finden die Métis Crossing Lodge zum Beispiel bei Dertour, Canusa, America Unlimited oder Lernidee im Programm. Die Unterkunft ist ganzjährig geöffnet, im Winter werden zum Beispiel Schneeschuhwanderungen angeboten. Im Sommer gibt es Ausflüge und Touren zusammen mit Übernachtungen als Packages. Auch Kombinationen ab Edmonton mit dem Elk Island National Park sind buchbar.

Thomas Hartung

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