Fiebig warnt vor EU-Regulierung und fordert Entlastung
DRV-Präsident Norbert Fiebig (Foto) hat beim Hauptstadtkongress in Berlin die EU-Pläne zur Reform der Pauschalreiserichtlinie einmal mehr kritisiert. Die vorgeschlagenen Änderungen gefährdeten bewährte Geschäftsmodelle und belasteten den Vertrieb mit unnötiger Bürokratie. Zugleich warnte Fiebig vor steigenden Kosten im Luftverkehr und forderte politische Entlastungen.
DRV/Marcel Kautz
Norbert Fiebig kritisierte vor seinem Abtritt erneut Elemente der Revision der EU-Pauschalreiserichtlinie
Beim Hauptstadtkongress des Deutschen Reiseverbands (DRV) hat Präsident Norbert Fiebig deutliche Kritik an der EU-Kommission und der geplanten Novellierung der Pauschalreiserichtlinie geäußert. "So wie diese EU immer mehr, immer mehr, immer mehr reguliert, so kann es nicht weitergehen", zitierte er Bundeskanzler Merz und stellte klar: "Dem kann man nur zustimmen." Die Branche brauche faire und praktikable Regeln, die den Wettbewerb nicht verzerrten und die unternehmerische Freiheit nicht weiter einschränkten.
Fiebig warnte davor, dass die in Brüssel diskutierten Änderungen zur Pauschalreiserichtlinie bestehende Geschäftsmodelle gefährden könnten. Besonders kritisch sehe der Verband Pläne, Stornierungsrechte auszuweiten und die Zusammenstellung von Einzelleistungen im Vertrieb zu begrenzen. "Das darf auf keinen Fall so durchgehen", betonte Fiebig. Reisebüros müssten weiterhin flexibel auf Kundenwünsche reagieren können, ohne sofort in die Veranstalterhaftung zu geraten.
Rückenwind aus Berlin – Druck auf Brüssel
Rückendeckung erhält der Verband aus der Bundesregierung, die nach Fiebigs Angaben die Position der Branche in den laufenden Trilog-Verhandlungen unterstützt. Nun müsse Berlin dem bei der dänischen Ratspräsidentschaft Nachdruck verleihen, um überzogene Forderungen aus dem Europäischen Parlament abzuwehren. Über 40 Prozent aller Pauschalreisen in der EU würden in Deutschland gebucht – die Reform dürfe dieses Kerngeschäft nicht gefährden.
Mit einer Kampagne habe der Verband im Frühsommer versucht, Entscheidungsträger in Brüssel wachzurütteln. Fiebig kündigte an, weiter Druck zu machen: "Wir sagen Nein zu unnötiger Bürokratie, Nein zu weiteren Wettbewerbsverzerrungen und Ja zu einem ausgewogenen Verhältnis von Verbraucherschutz und wirtschaftlicher Tragfähigkeit."
Entlastung durch Reisesicherungsfonds
Positiv bewertete Fiebig die jüngsten Entlastungen beim Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF). Die Absenkung der Entgelte auf 0,75 Prozent zum 1. September und bald auf 0,5 Prozent zum 1. November sei "ein klares Statement für die Unternehmen". Mittelfristig könne die Branche auf weitere Senkungen hoffen – bei stabilem Schadensverlauf womöglich bis auf null. Zugleich forderte er mehr Flexibilität bei bonitätsabhängigen Sicherheiten: "Das bringt mehr Gerechtigkeit ins System."
Reiselust trotz Wirtschaftsflaute
Trotz schwacher Konjunktur und Kaufzurückhaltung zeigt sich Fiebig optimistisch. Die Reiselust der Deutschen sei "weiterhin ungebrochen". Zwar liege die Zahl der Reisenden noch unter dem Vor-Corona-Niveau, doch die Nachfrage nach organisierten Reisen wachse. "Der Veranstaltermarkt entwickelt sich besser als der Individualreisemarkt", sagte Fiebig. Der Anteil der Pauschalreise liege stabil über 50 Prozent.
Preisgünstigere Destinationen wie Bulgarien, Thailand und Ägypten profitieren laut Fiebig besonders. Der Trend zum Frühbuchen sorge für Planungssicherheit: Bereits 40 Prozent des Umsatzes der vergangenen Wintersaison seien für die neue Saison gebucht, vor allem bei Fernreisen und Kreuzfahrten.
Kritik an Luftverkehrsabgaben
Scharfe Worte fand Fiebig auch für die deutsche Luftverkehrspolitik. Die Erhöhung von Steuern und Gebühren habe die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts geschwächt. "Schon jetzt verlegen Airlines Teile ihrer Flotten ins Ausland. Das ist ein Alarmsignal", sagte er. Flugreisen dürften nicht wieder zum Luxusgut werden, forderte der DRV-Präsident. Deutschland brauche bezahlbare und wettbewerbsfähige Flugverbindungen, um Mobilität und Wohlstand zu sichern.
Beim Thema Klimaschutz mahnte Fiebig zu Realismus: Die Branche stehe zu ihrer Verantwortung, benötige jedoch politische Unterstützung bei der Verfügbarkeit nachhaltiger Treibstoffe. "Was fehlt, ist der nachhaltige Treibstoff. Das ist der entscheidende Hebel", sagte er. Der Rückzug von Shell aus der Biokraftstoffproduktion zeige, dass die Politik gegensteuern müsse.
Gleichzeitig betonte Fiebig die Bedeutung sozialer Akzeptanz in den Zielgebieten. Tourismus müsse Rücksicht nehmen und wirtschaftliche Stabilität schaffen, ohne lokale Gemeinschaften zu überfordern.
Abschied mit Zuversicht
Zum Abschluss seiner Rede blickte der scheidende DRV-Präsident auf 75 Jahre Verbandsarbeit zurück. Der DRV stehe für eine starke Gemeinschaft und eine Branche, die Menschen, Kulturen und Perspektiven verbinde. "Die Reisewirtschaft hat schon oft bewiesen, dass sie stark und wandlungsfähig ist", sagte Fiebig. Er gehe mit Dankbarkeit – und Zuversicht in die Zukunft der Branche.
Christian Schmicke