Reiseplattform Evaneos entwickelt "Overtourism-Index"
Die Unternehmensberatung Roland Berger hat mit der Reiseplattform Evaneos einen komplexen "Overtourism-Index" erstellt, um eine objektive Annäherung an das Phänomen zu erreichen. Die Analyse basiert auf einer Auswahl von 70 beliebten Reisezielen.
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Um den Grad der Gefährdung durch Übertourismus zu messen, wurde nach Angaben der Autoren der Studie jedes Reiseziel auf einer Skala von 1 (geringe Gefährdung) bis 5 (extreme Gefährdung) bewertet, indem vier objektive Kriterien miteinander verknüpft werden:
- Internationale Reisende pro Einwohner
- Internationale Reisende pro Quadratkilometer
- Saisonale Konzentration
- Nachhaltigkeits-Reifegrad (dieses Bewertungskriterium berücksichtigt unter anderem die sozialen Auswirkungen des Tourismus, den Zustand der Gastgeberinfrastruktur oder auch die Entwicklung des Transportwesens)
Als erste Erkenntnis formulieren die Autoren, Übertourismus sei kein zu pauschalierendes Phänomen, weshalb eine Unterteilung in verschiedene Kategorien notwendig sei, um der Komplexität gerecht zu werden. Aus diesem Grund liste der Übertourismus-Index nicht nur die stark oder weniger stark gefährdeten Reiseziele auf, sondern definiere ergänzend eine neue Kategorisierung, die auf den verschiedenen Arten der Überbelastung basiere. Diese Unterteilung solle es ermöglichen, die für jede Situation am besten geeigneten Lösungen zu identifizieren. Die Analyse unterscheidet zwischen Strand-Reisezielen, beliebten europäischen Reisezielen und städtischen Reisezielen.
Übertourismus an Strandreisezielen
Der Tourismus an Badeorten ist laut Roland Berger die am stärksten gefährdete Kategorie. Grund dafür sei der besonders hohe Anteil an Touristen in relativ kleinen und ökologisch fragilen Gebieten. Zu den betroffenen Ländern gehören laut der Analyse Zypern, Mauritius, Griechenland und Kroatien. Diese Reiseziele seien umso anfälliger, da durchschnittlich 25 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts vom Tourismus abhingen.
Die genannten Destinationen, in denen sich die überwiegende Mehrheit der Touristen am Meer aufhalte, müssten dringend verbindliche Maßnahmen einführen, so die Verfasser. Die erste Antwort bestehe darin, die Kapazität dieser Reiseziele zu regulieren; zum Beispiel durch die Einführung von Quoten, um die am stärksten frequentierten Orte zu erhalten. Außerdem müssten die Touristenströme über das Jahr verteilt werden, indem die Reiseziele intensiver für die Nebensaison beworben werden. Das Ziel sei nicht, die Anzahl der Touristen per se zu reduzieren, sondern eine bessere Verteilung über das ganze Jahr zu ermöglichen.
Saisonale Konzentration
Der Zustrom in der Sommersaison sei auch in anderen Destinationen ein großes Thema, so die Experten weiter. Bis zu 43 Prozent der Anreisen konzentrierten sich in Spanien, Italien, Portugal und Frankreich auf die Monate Juni, Juli und August.
Auch hier bedürfe es in erster Linie Maßnahmen zur saisonalen Verteilung der Touristenströme auf Frühjahr oder Herbst. Dies erfordere eine Aufklärung der Reisenden und eine Mobilisierung der Tourismusindustrie, das Angebot zu erweitern, um den saisonalen Druck gezielt auszugleichen.
Lokale Konzentration
Der Städtetourismus, der vor allem die großen europäischen Hauptstädte betreffe, erfordere Maßnahmen, um die Städte zu entlasten und die wirtschaftlichen Effekte des Tourismus auf die Randgebiete zu übertragen, fordern die Unternehmensberater. Obwohl diese Reiseziele ein gesundes Nachhaltigkeitslevel und eine geringe wirtschaftliche Abhängigkeit vom Tourismus aufwiesen, konzentrierten sich im Sommer bis zu 37 Prozent der Ankünfte auf diese Metropolen.
Diese Destinationen sollten ein großes Interesse daran haben, die Touristenströme zugunsten anderer Regionen zu verteilen. In den Niederlanden beispielsweise werde Rotterdam nun stärker in den Vordergrund gerückt, wodurch Amsterdam entlastet werde. Eine andere Möglichkeit bestehe darin, Reisende dazu zu bewegen, länger zu verreisen, wodurch sie weitere und teils unbekanntere Regionen neben den am stärksten frequentierten Städten besuchen könnten.
Voraussicht bei aufstrebenden Destinationen
Als "Reiseziele unter Beobachtung" definiert die Studie Marokko, Vietnam, Ägypten und Island. Die Hauptaufgabe der Tourismusverantwortlichen bestehe darin, die Aufnahmekapazität und mögliche Maßnahmen zur Erhaltung der Sehenswürdigkeiten im Auge zu behalten, so Roland Berger. Es gehe darum, die Entwicklung der Infrastruktur in diesen Destinationen vorherzusehen und bestmöglich zu begleiten.
Als erste Konsequenz aus dem Index hat sich Studien-Auftraggeber Evaneos nach eigenem Bekunden entschlossen, das Angebot von Reisen nach Santorini und Mykonos in der Sommersaison ab 2025 bis auf weiteres einzustellen. Dort seien die natürlichen Ökosysteme und die Wasserressourcen in den Monaten Juli und August besonders stark belastet. Der Schritt solle dazu beitragen, die Touristenströme auf diesen Inseln besser zu verteilen, indem die Aufenthaltsdauer auf die Monate Juni und September ausgedehnt werde, heißt es.
Christian Schmicke