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5. August 2022 | 21:02 Uhr
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Bahn kassiert für Anschlussfahrten trotz 9-Euro-Ticket ab

Wer von Hamburg zum Chiemsee fährt, zahlt bei der Deutschen Bahn deutlich mehr als nötig. Denn statt neun Euro für die Teilstrecke von München nach Prien kassiert der Staatskonzern bei ICE-Buchungen für Anschlussfahrten im Regionalverkehr den vollen Preis. Damit zahlen Fahrgäste teils 60 Euro zu viel.

Deutsche Bahn Fahrkartenkontrolle Regionalverkehr Foto DB Oliver Lang.jpg

Viele Reisende zahlen für ihre Anschlussfahrten mit Regionalzügen deutlich mehr als nötig

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"Wie die Deutsche Bahn ihre Kunden online abzockt" – diese vorwurfsvolle Überschrift trägt ein Schreiben, das derzeit in der Tourismusbranche kursiert. Dort ist man ohnehin ziemlich sauer auf den schlingernden Staatskonzern. Denn die DB-Spitze um Vorstandschef Richard Lutz hat entschieden, dass die meisten Reisebüros ab 2023 überhaupt keine Provision mehr für Beratung und Ticketverkauf erhalten sollen.

Wie wichtig aber unabhängige Beratung ist, zeigen die geschilderten Fälle. Dabei geht es um das extrem beliebte 9-Euro-Ticket, das 98 Prozent der Deutschen laut DB-Angaben kennen und das allein im Juni von mindestens 30 Millionen Menschen genutzt wurde. Damit kann man einen Monat lang den Regionalverkehr bundesweit kostenlos nutzen. Doch wer sich nicht gut auskennt oder nicht aufpasst, zahlt bei der Deutschen Bahn dennoch unnötig zu viel.

Kein Hinweis der Bahn, dass es billiger geht

Das liegt an den tückischen Buchungssystemen des Konzerns und der für Außenstehende schwer verständlichen Aufteilung von Fern- und Regionalverkehr in Deutschland seit der Bahnreform. Wer auf den DB-Seiten im Internet oder im DB-Navigator am Smartphone zum Beispiel kurzfristig die Urlaubsfahrt von Berlin an den Chiemsee in Bayern buchen will, bekommt viele Tickets vom Start bis zum Ziel angeboten, die bis zu 200 Euro in der 2. Klasse kosten, wenn man bei Zug und Abfahrtszeit flexibel bleiben möchte.

Dabei fehlt allerdings der Hinweis, dass es auch deutlich günstiger geht. Denn in den angezeigten Ticketpreisen ist nicht nur die ICE-Fahrt bis München enthalten, sondern auch die Weiterfahrt im Regionalzug nach Prien am Chiemsee. Wer aber ein 9-Euro-Ticket kauft oder wie viele Bahnkunden schon besitzt, muss für diese Anschlussfahrt eigentlich nichts extra bezahlen. Der Konzern stellt die Fahrt dennoch in Rechnung, wenn man so bucht wie angeboten.

Im Beispielfall zahlt ein Kunde mit 9-Euro-Ticket so rund 60 Euro zu viel. Denn die ICE-Fahrt Berlin-München kostet im betreffenden Zug knapp 140 Euro, wie eine getrennte Abfrage in den DB-Systemen zeigt. Es reicht also, diese Fahrt bis München zu buchen und dann kostenlos mit dem 9-Euro-Ticket den Anschluss-Regionalzug an den Chiemsee zu nutzen. Doch darüber wird der Bahnkunde bei der Online-Buchung nicht hinreichend aufgeklärt.

Vorwurf der Abzocke mit System

Das grenze an Täuschung und zeige, wie wichtig vernünftige persönliche Beratung besonders für nicht so erfahrene Bahnnutzer sei, sagt Michael Kotzurek von der Agentur GBFR-Reisen in Berlin, die unter anderem auf Zugreisen spezialisiert ist. Solche Beratung bringe aber auch dem Konzern "echten Mehrwert". Denn die Verärgerung von Kunden wird vermieden, wenn sie ahnungslos mehr zahlen als nötig und ihnen Kosten für Tickets untergeschoben werden, die sie überhaupt nicht benötigen.   

Nicht nur Kotzurek vermutet, dass die Sache System hat und der hoch verschuldete Konzern an den  teuer verkauften Anschlussfahrten kräftig verdient. Die GBFR-Experten haben sich die Mühe gemacht, mehr als ein Dutzend Online-Angebote der DB zu vergleichen und festgestellt, dass die Hinweise auf kostenfreie Nutzung des 9-Euro-Tickets bei Anschlussfahrten systematisch fehlen. Zum Beispiel bei den Strecken Berlin-Neckarsulm über Mannheim, Berlin-Eckernförde über Hamburg oder Hamburg-Zinnowitz über Berlin. Selbst bei Tickets mit Super-Sparpreisen zahlen Kunden dann schnell 30 Euro und mehr zu viel.

Gesetz lässt Stückeln der Fahrkarte nicht zu

Was sagt der DB-Konzern selbst dazu? Die Behauptung, die Bahn würde Kunden online abzocken, entbehre „jeglicher Faktenlage“, erklärt eine Sprecherin. Seit Verkaufsstart Ende Mai informiere die DB auf ihren Kanälen "ausführlich zu allen Besonderheiten des 9-Euro-Tickets, auch zur Kombination mit Fernverkehrstickets".

Warum aber fehlt der schlichte Hinweis, dass die Buchung des Fernzugs bis zum Umstieg in den Regionalzug genügt, wenn man ein 9-Euro-Ticket hat? Hier beruft sich der Konzern darauf, dass man wie alle Bahnen in Deutschland nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz zur sogenannten Durchtarifierung verpflichtet sei. Das bedeute, dass man Kunden eine durchgängige Fahrkarte vom Beginn bis zum Ende der Reise zu einem bestimmten Tarif anbieten müsse.

Deshalb sei das Stückeln mehrerer Tarife gesetzlich nicht zugelassen, also den Tarif der DB AG und den Deutschlandtarif für das 9-Euro-Ticket getrennt anzubieten, heißt es. Zudem käme es dadurch in vielen Fällen zu falschen oder zu teuren Preisangaben, argumentiert der Konzern. Denn oft biete der Fernverkehr wie auf der Strecke Berlin-Eckernförde Sparpreise ab 21,90 Euro, in denen auch Nahverkehr und City-Ticket am Zielort enthalten seien. Ein zusätzliches 9-Euro-Ticket mache die Reise dann sogar teurer, weil der Fernzug allein nicht billiger wäre.

Eine Änderung der kritisierten Praxis ist also bisher offenbar nicht vorgesehen – zumindest lässt der Konzern auch entsprechende Nachfragen offen.

Thomas Wüpper

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