Ex-ÖBB-Chef fordert radikale Bahn-Reformen
Der frühere Vorstandschef der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) und spätere österreichische Bundeskanzler Christian Kern kritisiert im Interview mit der Zeitung "Die Zeit" mangelnde Effizienz, zu viele Hierarchien und fehlenden politischen Willen zu einer echten Reform bei der Deutschen Bahn.

Deutsche Bahn
Die Deutsche Bahn hat derzeit viele Baustellen
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Die Bahn kämpfe mit chronischen Verspätungen, schlechter Infrastruktur und einer undurchsichtigen Organisationsstruktur, sagte Kern der Zeit (Abo). Er kritisiert, dass es bei der Bahn an klaren Verantwortlichkeiten fehle. "Es gibt kein klares Ziel und einen solchen Wust an Geschäftsführern, dass Verantwortlichkeiten verschwimmen", so Kern. Die ÖBB habe seinerzeit das klare Ziel gehabt, die pünktlichste Bahn Europas zu werden. Diese Zielsetzung sei in Deutschland nicht erkennbar.
Ein weiteres Problem sieht er in der Vielzahl an Entscheidungsträgern. "Sehen Sie sich mal an, wie viele Dutzend Pressesprecher die Deutsche Bahn hat, das beschreibt die Lage ganz gut." Das Unternehmen brauche dringend eine Verschlankung der Managementebenen, um effizienter arbeiten zu können.
Strukturelle Probleme und politische Einflussnahme
Anders als in Österreich sei die Finanzierung der Bahn in Deutschland nicht langfristig gesichert. Kern betont, dass die ÖBB Mittel stets für sechs Jahre garantiert bekomme, während sich die DB von Legislaturperiode zu Legislaturperiode hangele. "Die Deutschen fokussieren sehr viel stärker auf die Schuldenbremse und weniger auf nachhaltige Investitionen." Dadurch habe sich über Jahrzehnte ein massiver Investitionsstau gebildet.
Ein weiteres Problem sei die Zersplitterung der Bahn in zahlreiche Gesellschaften. "In Deutschland gibt es für alles eine eigene Firma: eine für die Schienen, eine für den Fernverkehr, etliche verschiedene für den Regionalverkehr." Dadurch fehle eine klare Gesamtverantwortung, was die Effizienz massiv beeinträchtige.
Mehr Investitionen und klare Verantwortlichkeiten
Um die Deutsche Bahn zukunftsfähig zu machen, seien drastische Maßnahmen erforderlich. Dazu zähle eine grundlegende Reform der Unternehmensstruktur mit weniger Hierarchien und mehr Fokus auf die Fahrgäste. "Die Infrastruktur ist nicht schuld an den Krümeln auf den Tischen der ersten Klasse, an den gesperrten Toiletten oder an den fehlenden Lokführern", so Kern. Viele Probleme seien hausgemacht und ließen sich durch besseres Management lösen.
Ein weiteres Schlüsselthema sei die Finanzierung. Kern sieht die Bahn als Teil der staatlichen Grundversorgung, vergleichbar mit Wasser oder Gesundheitswesen. "Es gibt keine einzige Bahninfrastruktur in der Welt, die für sich allein profitabel ist." Statt auf Gewinne zu setzen, müsse der Staat langfristige Investitionen sichern.
Kritik an der aktuellen Sanierungsstrategie
Die Deutsche Bahn setzt aktuell auf sogenannte "Korridorsanierungen", bei denen vielbefahrene Streckenabschnitte für mehrere Monate vollständig gesperrt werden. Kern hält dies für problematisch: "Wer so etwas machen muss, hat zuvor alles verkommen lassen." Es bestehe die Gefahr, dass Fahrgäste und Logistikunternehmen auf die Straße umsteigen und nicht zurückkehren.
Die DB habe exzellente Mitarbeiter, die trotz widriger Umstände den Betrieb am Laufen hielten, so der Ex-ÖBB-Chef. Nun bedürfe es klarer Verantwortlichkeiten und politischer Weitsicht, um die Bahn wieder auf Kurs zu bringen.
Christian Schmicke
Christian Kern leitete von 2010 bis 2016 die ÖBB und war von Mai 2016 bis Ende 2017 österreichischer Regierungschef. Heute führt der 59-jährige Sozialdemokrat eine Leasinggesellschaft für Schienenfahrzeuge.