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11. Dezember 2025 | 13:11 Uhr
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Gerichte stellen Corona-Hilfen auf den Prüfstand

Die Corona-Überbrückungshilfen geraten zunehmend ins juristische Zwielicht. Verwaltungsgerichte stellen in Grundsatzurteilen die beihilferechtliche Zulässigkeit zentraler Programme infrage. Besonders betroffen sind Branchen, die von Schließungen und Reisebeschränkungen geprägt waren – wie Hotellerie, Gastronomie, Reisewirtschaft, Veranstaltungs- und Kulturbranche.

Icon Recht

Kern der Auseinandersetzung sei das EU-Beihilferecht, erklärt Dennis Hillemann, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Kanzlei Advant Beiten. Die deutschen Programme stützten sich auf den "befristeten Rahmen" der EU-Kommission für staatliche Beihilfen während der Covid-19-Pandemie. Diese erlaubte Ausnahmen vom Beihilfeverbot, allerdings nur unter engen Voraussetzungen und befristet bis zum 30. Juni 2022.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster wurden diese Grenzen in mehreren Programmen überschritten. Besonders kritisch sehen die Richter laut Hillemann die November- und Dezemberhilfen 2020. Die Konstruktion einer pauschalen Erstattung von 75 Prozent des Vorjahresumsatzes gehe über die von der EU genehmigten Liquiditätshilfen hinaus. Statt allein Liquiditätsengpässe zu beheben und die Existenzfähigkeit zu sichern, kompensierten die Hilfen faktisch entgangene Gewinne – ohne Prüfung eines konkreten Liquiditätsbedarfs.

Das Gericht zieht daraus eine weitreichende Konsequenz: Beihilfen, die nicht von der Genehmigung der EU-Kommission gedeckt sind oder nach Ablauf des befristeten Rahmens ohne vorher entstandenen gesicherten Rechtsanspruch gewährt wurden, verstoßen gegen das Durchführungsverbot des Beihilferechts. In solchen Fällen seien die Behörden zur Rückforderung verpflichtet – auch bei bereits abgeschlossenen Schlussabrechnungen.

Zeitliche und inhaltliche Risiken

Die Rechtsprechung stellt damit zwei Aspekte in den Mittelpunkt: Zum einen den Stichtag 30. Juni 2022, nach dem Bewilligungen nur noch zulässig sein sollen, wenn zuvor ein gesicherter Anspruch entstanden war. Zum anderen die inhaltliche Ausgestaltung der Programme, insbesondere pauschale Umsatzerstattungen ohne Bedarfsprüfung.

Für Unternehmen bedeute das ein doppeltes Risiko, unterstreicht der Jurist. Gefährdet seien einerseits Hilfen, die nach dem 30. Juni 2022 bewilligt oder ausgezahlt wurden, obwohl der Anspruch bis dahin noch nicht rechtssicher feststand. Andererseits gerieten Programme unter Druck, die über eine reine Fixkosten- oder Liquiditätshilfe hinausgingen und de facto Gewinnersatz gewährten. Dazu zählten in der Praxis auch Sonderregeln für besonders betroffene Branchen wie Tourismus, Veranstaltungs- oder Kulturwirtschaft, soweit sie über Fixkostenregelungen hinausgingen.

Konflikt mit europäischer Rechtsprechung

Parallel dazu habe der Europäische Gerichtshof die Rechte von Unternehmen gestärkt, berichtet Hillemann. In einem vergleichbaren Beihilfefall habe der EuGH entschieden, dass Beihilfen als gewährt gelten können, wenn ein Antrag vor Ablauf des befristeten Rahmens gestellt und anschließend rechtswidrig abgelehnt worden sei. Das Grundrecht auf wirksamen Rechtsschutz solle verhindern, dass Unternehmen allein wegen langsamer oder fehlerhafter Behördenpraxis ihren Anspruch verlieren.

Damit entstehe ein Spannungsverhältnis, unterstreicht der Rechtsexperte: Während die Linie aus Münster stark auf den formalen Stichtag und einen vor dem 30. Juni 2022 entstandenen "sicheren Rechtsanspruch" abstelle, betone der EuGH den Schutz der Antragsteller vor behördlichen Verzögerungen und Fehlentscheidungen. Andere Verwaltungsgerichte orientierten sich bereits eher an der europarechtlichen Sichtweise. Die Rechtsprechung in Deutschland sei indes gespalten, eine höchstrichterliche Klärung stehe aus.

Für betroffene Unternehmen stehe mehr als nur die Schlussabrechnung auf dem Spiel, so Hillemann. Rückforderungen könnten fünf- oder sechsstellige Beträge erreichen und nach der Logik des OVG Münster sogar bestandskräftige Bescheide erfassen. Gleichzeitig agierten die Bewilligungsstellen nicht einheitlich: Einige Behörden bereiteten Rückforderungen vor, andere warteten ab. Das erzeuge eine erhebliche Rechts- und Planungsunsicherheit.

Konsequenzen für Unternehmen

Fachanwälte für Verwaltungs- und Beihilferecht empfehlen laut Hillemann, Rückforderungsbescheide nicht unreflektiert hinzunehmen. Widerspruch und Klage wahren Fristen und führten in der Regel zu einer aufschiebenden Wirkung, sodass zunächst keine Zahlung erfolgen müsse, so die Argumentation. Entscheidend sei die Einzelfallprüfung: Weder eine hohe Bewilligungssumme noch ein Bewilligungsdatum nach dem 30. Juni 2022 machten eine Beihilfe automatisch rechtswidrig.

Christian Schmicke

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