Schweizer Reisebranche debattiert über den Globetrotter-Chef
Rund um die Generalversammlung des Schweizer Reiseverbands hat sich eine Debatte um Globetrotter-Chef André Lüthi (Foto) entzündet. Der 65-Jährige prägt als SRV-Vorstandsmitglied und medienpräsenter Unternehmer seit Jahren die Branche. Kritiker sprechen von Selbstdarstellung, Machtstreben und Überdruss, Unterstützer sehen in ihm einen wichtigen Brückenbauer und Motor.
Globetrotter Group
André Lüthi ist medial sehr präsent; das gefällt nicht jedem der eidgenössischen Touristiker
Seit der Generalversammlung des Schweizer Reiseverbands steht der umtriebige Unternehmer einmal mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit. Der Verwaltungsratspräsident der Globetrotter Group betreut im SRV seit rund 25 Jahren das Ressort Politik und trat im November turnusgemäss zur Wiederwahl an.
Für Diskussionen sorgte ein Beitrag der Unternehmerin Barbara Wohlfarth. Sie stellte auf Linkedin die Frage, warum sich ein 65-Jähriger erneut zur Wahl stelle, während der Verband gleichzeitig das Motto "River of Change" ausrufe.
Lüthi reagierte umgehend. Er legte offen, dass er zwar formell für drei Jahre kandidiere, tatsächlich aber 2027 zum 100-Jahr-Jubiläum des Verbands abtreten und bis dahin eine Nachfolge aufbauen wolle. Die Delegierten bestätigten ihn per Applaus im Amt.
Leserbrief legt die Konfliktlinien offen
Kurz nach der Versammlung erhielt der Streit eine neue Dimension. In Fachmedien tauchte ein Leserbrief von Kurt Eberhard auf, Co-Präsident der Travel Professionals Switzerland (TPS) und früherer CEO von Hotelplan Suisse. Darin habe er sich deutlich an Lüthi abgearbeitet, berichtet das Schweizer Fachportal Travel News.
Der Text sei rasch wieder aus dem Netz verschwunden, heißt es weiter. Die TPS-Vorstandskollegen hätten ihren Präsidenten in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zurückgerufen, heißt es weiter.
Medienprofi und Selbstdarsteller
Das Bild Lüthis ist gespalten. Unbestritten ist seine Rolle als einer der sichtbarsten Köpfe der Schweizer Touristik. Der frühere Bäckerlehrling und Ringer stieg vom Sachbearbeiter zum CEO und später zum Verwaltungsratspräsidenten der Globetrotter-Gruppe auf. Das Unternehmen wurde 1976 gegründet, umfasst heute 13 Reiseunternehmen, beschäftigt 365 Mitarbeitende und erzielte 2024 einen Umsatz von 202 Millionen Franken. Vor der Pandemie waren es 243 Millionen Franken, Globetrotter ist damit hinter TUI, Kuoni und Hotelplan das viertgrößte Touristikunternehmen des Landes.
Lüthi sucht konsequent die Öffentlichkeit. Er gibt Interviews, tritt an Tagungen auf und schreibt fast täglich auf Linkedin. Der Schweizer Tagesanzeiger berichtet von einem Auftritt in der St. Galler Tonhalle wo Lüthi vor 600 angehenden Ökonominnen und Ökonomen über seinen Weg gesprochen und sie aufgefordert habe, "eine eigene Spur zu ziehen". Seine Rede mit dem Titel "Breaking the rules" sei ein "Lehrstück in eigener Sache", berichtet das Portal weiter – Personal Branding für Fortgeschrittene.
Sein Biograf Frank Baumann nennt ihn laut Tagesanzeiger den "absolut mediengeilsten Unternehmer" und schreibt, Lüthi sei einer, "der seiner Branche ab und zu ans Bein pinkelt".
Zwischen moralischem Anspruch und Doppelmoral-Vorwurf
Der Mix aus Sichtbarkeit, moralischem Anspruch und klaren Ansagen sorge in der Branche für Reibung, sind sich die Schweizer Medien einig. Kritiker werfen Lüthi vor, er sei zu sehr auf seine eigene Art des Reisens fixiert und äußere sich zu Themen außerhalb seines Kerngeschäfts, etwa zu Badeurlaub.
Speziell an seinen Angriffen auf Billigreisen scheiden sich die Geister. Lüthi kritisiert "Schleuderpreise", die dem Reisen die Wertigkeit nähmen, und fordert Verantwortung der Branche. Er sagt, es gehe nicht darum, weniger zu reisen; Reisen sei "die beste Lebensschule" und fördere Toleranz und Respekt. Ihm gehe es nur darum, Reisen nicht "wie Ramsch zu verkaufen".
Eberhard nennt das Doppelmoral. Wer Billigtourismus kritisiere, während die eigenen Filialen entsprechende Produkte verkauften und man selbst um die Welt jette oder mit Kreuzfahrtschiffen in die Antarktis fahre, "predigt Wasser und trinkt Wein", zitiert ihn Travel News.
Lüthi selbst betont gegenüber Travel News, es gehe ihm "am Ende immer um Globetrotter". Er halte Personalentscheidungen für die wichtigste Aufgabe von Führungskräften und lege Wert auf Persönlichkeit statt reinen Fachwissens. Um die aufgeheizte Stimmung zu entspannen, sucht er nach Informationen der Schweizer Kollegen nun das Gespräch – etwa mit Barbara Wohlfarth bei einem gemeinsamen Kaffee.
Christian Schmicke
Reise vor9 hat mit Lüthi vor genau drei Jahren über seinen Werdegang´und seine Auffassung vom Tourismus gesprochen. Gerne noch mal reinhören:
Sie haben der Darstellung dieses Inhalts nicht zugestimmt. Mit Ihrer Erlaubnis wird der Inhalt angezeigt. Dann werden bestimmte Daten an eine dritte Partei übermittelt.
Sollte der Webplayer auf dieser Seite nicht funktionieren, klicken Sie einfach auf diesen Link: https://reisevor9.podigee.io/332-neue-episode