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27. November 2023 | 14:07 Uhr
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Touristiker schlagen Konjunktur-Alarm

Touristiker und Verbände treibt die Sorge um, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Nachfrage der Bundesbürger dämpfen. Sie fordern Investitionen und den Abbau von Bürokratie. Außerdem warnen sie vor den Folgen möglicher weiterer Auflagen durch die EU.

Konjunktur

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen machen der Touristik zu schaffen

Eigentlich hatte sich die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen Zukunftsinvestitionen und Bürokratieabbau ausdrücklich auf die Fahnen geschrieben. Doch eine Mischung aus extern bedingten Faktoren wie dem Ukrainekrieg und ständigem Tauziehen um die Gewichtung und Finanzierung politischer Projekte sorgt für eine schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung.

"Für 2023 erwarten wir einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes um 0,4 Prozent. Für 2024 belasten das schwache außenwirtschaftliche Umfeld, rückläufige Investitionen und ein mäßiger privater Konsum die Konjunktur. Zudem fehlen Arbeitskräfte. Die erwarteten 0,7 Prozent Wachstum für 2024 zeigen eindrücklich die gebremste wirtschaftliche Erholung", erklärte der Wirtschaftsweise Professor Achim Truger bei einer Veranstaltung des touristischen Dachverbandes BTW gegenüber den Vertretern der Tourismuswirtschaft.

Folgen des Milliardenlochs

Zu allem Übel erklärte das Bundesverfassungsgericht Mitte November die Schattenhaushalte, aus denen eine ganze Reihe aktueller und künftiger Projekte finanziert werden sollten, für verfassungswidrig. Kein Wunder also, dass bei aller Zuversicht im Hinblick auf die nach wie vor ausgeprägte Reiselust der Deutschen so langsam die Zweifel am anhaltenden wirtschaftlichen Erfolg der Branche wachsen.

Der Bundesverband der Reisebüros VUSR sieht laut seiner Chefin Marija Linnhoff "durch die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung auch die Tourismuswirtschaft in Gefahr". Die Ampel schaffe es nicht, eine Wirtschafts- und Finanzpolitik zu machen, die den Menschen Zuversicht und Vertrauen gebe, Konsumzurückhaltung sei die Folge. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen und der anhaltenden Haushaltskrise fordert der Verband "die Bundesregierung auf, ein klares Zeichen zu setzen und die Wirtschaft zu entlaste". Wenn finanzielle Mittel knapp seien, sollte "zumindest eine gezielte bürokratische Entlastung erfolgen", so Linnhoff weiter.

Chronische Ertragsschwäche

Etwas gedämpfter im Ton, aber grundsätzlich auf derselben Ebene argumentiert der BTW. "Auch die Tourismuswirtschaft kämpft aktuell mit einer insbesondere, den allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geschuldeten Ertragsschwäche. Vieles – auch die Prognose der Wirtschaftsweisen – deutet darauf hin, dass es im kommenden Jahr für unsere Betriebe nicht einfacher wird“, sagt BTW-Generalsekretär Sven Liebert. "In dieser Situation braucht auch die Tourismusbranche wirtschaftspolitische Maßnahmen, die Wachstum fördern und keine neuen Auflagen."

Die Anforderungen an die Unternehmen der Tourismuswirtschaft seien "immens", etwa wenn es um die nachhaltige Transformation gehe, erklärt Liebert weiter. Hier seien begleitende Maßnahmen der Politik erforderlich. Dazu gehöre die Förderung und Ausweitung der Produktion von E-Fuels genauso wie Ausbau, Sanierung und Vernetzung von Infrastruktur, beispielsweise im Bereich der touristischen Mobilität zwischen Bahn, Bus, Flieger und Schiff.

Investitionen und Entlastung

"Wir brauchen ein Investitionsjahrzehnt, das die Zukunftsaufgaben anerkennt und Lösungen für teils hausgemachte Probleme wie bei der Bürokratie oder der Digitalisierung der Verwaltung sucht", fordert Liebert. Nur so seien ein Fundament und Rahmenbedingungen zu schaffen, die der Touristik eine sichere Grundlage fürs Wirtschaften böten.

Noch deutlicher wurde TUI-Chef Sebastian Ebel kürzlich in einem Talk mit dem Fachportal FVW. "Viele Dinge laufen nicht gut in Deutschland", sagt der TUI-Chef. Unter anderem kritisierte er eine "Verbotsmentalität", die technologiefeindlich sei und den Wohlstand in Deutschland gefährde. "Wir haben vielleicht noch gar nicht gemerkt, dass wir an der Klippe stehen und die Gefährdung des Wohlstands da ist", so Ebel und weiter: "Es spielt keine Rolle, ob es dabei um Batterie oder Wasserstoff, Methanol oder Biogas geht: Lasst doch den Markt darüber entscheiden, anstatt dieses oder jenes vorzuschreiben. Denn das führt nur dazu, dass Investitionen ins Ausland verlagert werden. Das ist hochdramatisch."

Zweiteilung der Kundennachfrage droht

Auch DRV-Präsident Norbert Fiebig hatte bei der Jahrestagung des Verbandes im Oktober gewarnt, dass ungeachtet guter Umsatzzahlen eine "Zweiteilung der Kundennachfrage" zu beobachten sei. Während viele Menschen sich trotz gestiegener Preise nach wie vor das Reisen leisten könnten und wollten, gebe es auf der anderen Seite auch immer mehr Menschen, die sich den Sommerurlaub nicht mehr erlauben könnten. "Das hat das Zeug zu einer sozialen Frage, wenn nicht alle aufpassen", sagte Fiebig. Urlaub müsse auch für Durchschnittsverdiener weiter bezahlbar bleiben. Deshalb dürfe auch die Preisschraube von den Leistungsträgern nicht überdreht werden. Die Bundespolitik sieht Fiebig ebenfalls in der Pflicht und forderte eine Stimulierung der Nachfrage durch Entlastungen, die den Menschen mehr Geld für den Konsum übrigließen.

Vielstimmiger Chor

Auch die von der EU-Kommission angekündigte Überprüfung der Pauschalreiserichtlinie schwingt in diesem Kontext immer wieder mit. DRV und BTW befürchten, dass etwa eine strengere Begrenzung der Anzahlungshöhe den Wettbewerb zugunsten der großen OTAs verschieben könnte, was der Digitalverband VIR in Abrede stellt. VUSR-Chefin Linnhoff würde gerne auch Einzelleistungen absicherungspflichtig machen. Ein erster Entwurf der EU-Kommission wird Ende des Monats erwartet.

In das trübe Stimmungsbild passt auch eine aktuelle Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV). Laut der repräsentativen Forsa-Umfrage erwarten 48 Prozent der Verbraucher, dass sich ihre Situation in den nächsten zehn Jahren verschlechtert. "Das ist ein Alarmsignal", sagt Vorstandschefin Ramona Pop. In erster Linie werde nun die Politik in der Verantwortung gesehen, eine gute Zukunft für Verbraucher zu gewährleisten, so Pop auf Basis der Umfrage. Dahinter folgten mit deutlichem Abstand und etwa gleichauf die Verbraucher selbst sowie die Wirtschaft.

Christian Schmicke

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