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18. Dezember 2020 | 07:00 Uhr
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Wie sich Studienreisen im Zeitalter von Corona anfühlen

Feste Plätze im Bus, Abstand halten im Museum – Reisen mit Studiosus haben sich stark verändert. Kunden haben vor allem Angst vor einer Ansteckung am Reiseziel, sagt Vertriebschef Guido Wiegand (Foto) im zweiten Teil des Interviews. Wann die Länder wieder öffnen, ist für ihn reine Spekulation. An einen Nachholeffekt glaubt er nicht.

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"Wir haben eine strikte Maskenpflicht im Bus", sagt Studiosus-Vertriebschef Guido Wiegand

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Studiosus-Kunden sind oft ältere Menschen und gehören zur Risikogruppe. Wie reagieren sie in der Krise?

Unsere Kunden haben vergleichsweise mehr Sorge vor einer Ansteckung als andere Urlauber. Das zeigen unsere regelmäßigen Befragungen eindeutig. Hier unterscheiden sich Studiosus-Kunden ganz wesentlich vom Bevölkerungsdurchschnitt. Da zählt die Angst vor einer Infektion noch nicht einmal zu den Top Ten. Eine viel größere Rolle spielen beim Durchschnitt der Urlauber die Sorge, die Anzahlung nicht zurückzuerhalten, sowie unkulante Umbuchungs- und Stornobedingungen. Ebenso relativ stark ausgeprägt ist die Furcht vor einer möglichen Quarantäne nach der Rückkehr.

Ihre Teilnehmer sind in Gruppen unterwegs. Schreckt das Ihre Kunden nicht ab?

Natürlich geht es bei uns um Gruppenreisen. Im Gegensatz zu einem Ferienhaus ist es ja per Definition klar, dass ich mit anderen Menschen zusammen bin. Die Gruppe ist aber für unsere Kunden gar nicht das Problem. Sie haben weniger Angst, sich in der Gruppe anzustecken, als vor Ort. Unser Reisekonzept besteht aber ja gerade darin, Land und Leute kennenzulernen, auf Märkte zu gehen und Menschen in den besuchten Ländern zu treffen.

Wenn der Zweck der Reise, nämlich Menschen zu begegnen, zu einem Ansteckungsrisiko wird, machen Studienreisen dann noch Sinn?

Absolut! Im Sommer und Herbst haben wir ja erfolgreich bewiesen, dass Studienreisen in Corona-Zeiten möglich sind, und Reisen mit Tausenden von Gästen in zwölf europäische Länder durchgeführt. Unser Hygienekonzept hat den Praxistest erfolgreich bestanden. Dabei gehen wir jede einzelne Reise und jeden einzelnen Termin Schritt für Schritt durch und schauen, was wir überhaupt durchführen können. Zum Beispiel: Wie viele Reservierungen sind in einem Restaurant möglich? In Frankreich etwa wurde das zwischenzeitlich auf maximal zehn Personen beschränkt. Wie viele Personen sind bei Besichtigungen erlaubt? Welche Begegnungen haben wir vorgesehen? Da wird jeder Tag, jeder Programmpunkt akribisch durchgegangen.

Was mussten Sie ändern?

Wir haben einzelne Begegnungen geändert. Beispiel: Der Flamenco-Kurs in Spanien entfällt, da machen wir etwas anderes. Andere Treffen dagegen sind kein Problem, etwa der Besuch auf einem Zitronenhain am Golf von Neapel. Generell bewegen wir uns viel mehr draußen, wir wandern oder gehen spazieren.

Sie sind aber nicht nur auf dem Land unterwegs.

Das stimmt, bei Rundgängen und Besichtigungen hilft uns aber die Technik, Abstand zu halten. Unsere Gäste bekommen seit vielen Jahren Headsets. Damit können sie ihren Reiseleiter oder ihre Reiseleiterin auch aus der Distanz gut verstehen. Außerdem kommt uns entgegen, dass die Zielgebiete momentan viel leerer sind als sonst. Es gibt derzeit kein Gedränge in Museen. Da fällt es natürlich viel leichter, Abstand zu halten.

Ihre Kunden verbringen viel Zeit im Bus. Da sitzt man relativ eng zusammen. Wie können Sie da für Sicherheit sorgen?

Da gibt es viele Möglichkeiten. Zum Beispiel, indem wir grundsätzlich große Busse einsetzen. Unsere Gruppen bestehen meistens aus rund 20 Gästen und wir haben in der Regel mindestens 44 Plätze. Im Bus gibt es keine freie Sitzplatzwahl, sondern eine feste Sitzordnung, die für die ganze Reise gilt. Die Reihe hinter dem Busfahrer und dem Reiseleiter bleibt frei, die letzte auch. Zusammen sitzen nur Paare und gemeinsam Reisende, die sich ein Zimmer teilen. Alleinreisende haben immer eine Sitzbank für sich. Die Reihenfolge beim Ein- und Aussteigen wird ebenfalls festgelegt. Wir machen in kurzen Intervallen Stopps, um die Türen zum Durchlüften zu öffnen. In vielen Ländern haben die Busse übrigens ähnliche Filteranlagen wie die Flugzeuge auch. Alle Busse werden jeden Tag innen komplett desinfiziert.

Was ist mit Mund-Nasen-Schutz?

Wir haben eine strikte Maskenpflicht im Bus. Wenn alle Stricke reißen, kündigen wir Kunden, die sich weigern eine Maske im Bus zu tragen, den Reisevertrag. Bis jetzt ist aber nie so weit gekommen. Wir wissen, dass ungefähr 20 Prozent unserer Kunden nicht mit Maske reisen möchten. Wenn aber für die Mehrheit die größte Sorge darin besteht, sich anzustecken, dann ist die Entscheidung klar.

Viele Reiseländer und auch Kreuzfahrtreedereien schreiben PCR-Tests vor. Können Sie sich vorstellen, dass Sie als Veranstalter hier nachziehen?

Aus heutiger Sicht nicht. Wir haben das tatsächlich diskutiert und auch gemacht, wenn Gäste aus Hochrisikogebieten mitgefahren sind. Jetzt ist fast ganz Deutschland Risikogebiet. Wir gehen davon aus, dass wir in größerem Maße frühestens in drei bis vier Monaten Reisen durchführen können.  Bis dahin wird sich das hoffentlich in der Breite erledigt haben. Bei Gästen aus hochbelasteten Gegenden kommen wir allerdings sicher nicht um einen PCR-Test oder Impfnachweis herum.

Welche Trends zeichnen sich bei Ihren Kunden für nächstes Jahr ab?

Wir haben 120 Länder im Angebot. Da finden Sie immer welche, die herausstechen. Aber daraus lässt sich kein genereller Trend ableiten. Zurzeit können wir eigentlich nur unterscheiden zwischen Ländern, die schlecht laufen und solchen, die sehr schlecht laufen (lacht). Schon vor dem Lockdown light hat sich allerdings abgezeichnet, dass wir ein Europa-Jahr bekommen werden. Das kommt jetzt aber nicht überraschend. Auch hier spielt Sicherheit eine Rolle. Aus europäischen Ländern kommt man notfalls schnell nach Hause und kann eventuell auch mit dem Auto oder mit der Bahn fahren.

Haben Sie Ihr Programm entsprechend verändert?

Ja, wir organisieren erstmals seit langem wieder Studienreisen in Deutschland und haben das Programm für Europa ausgeweitet. Mit dem Kultimer waren wir ja schon immer in Deutschland präsent.

Zurzeit gibt es kaum Ziele, in die man überhaupt reisen kann. Was glauben Sie, wann Länder ihre Grenzen wieder öffnen bzw. Reisewarnungen fallen?

Das ist sehr spekulativ. Wir sehen, dass Länder, die die Pandemie ganz gut im Griff haben, sehr hart bei der Einreise reagieren, zum Beispiel Island. Ob, wann und wie sich die Länder wieder öffnen, ist schwer vorherzusagen. Wir werden im Laufe des Januars auf unserer Website Zielgebiete empfehlen, bei denen wir den Eindruck haben, da entspannt sich die Lage etwas und wir können wieder Reisen durchführen. Der Prognose-Zeitraum wird etwa sechs bis acht Wochen betragen.

In vielen Reiseländern scheinen Touristiker die Schließungen ohne Murren hinzunehmen. Ist das auch Ihre Erfahrung?

Ich glaube, dass die meisten Menschen, die in der Touristik arbeiten, in diesem Punkt sehr ambivalent sind. Es ist das eine, was man öffentlich zum Besten gibt und etwas anderes, wenn einem zu Hause am Küchentisch einmal der Kragen platzt. Es ist sicher vernünftig, die Kontakte zu beschränken. Andererseits geht es bei vielen um die Existenz. Diesen Zwiespalt teilt die gesamte Branche.

Werden wir Länder sehen, die nur noch Touristen mit Impfung einreisen lassen?

Sicherlich. Ich glaube, es wird eine Mischung geben, entweder negativer PCR-Test oder Impfung.  Alles andere wäre nicht plausibel. Ich finde das auch gar nicht schlimm. Wenn alle, die in ein Flugzeug steigen, geimpft sind oder einen negativen PCR-Test haben, dann ist das eher förderlich. Als Anbieter von Reisen müssen wir in einer Pandemie Verantwortung übernehmen. Da können wir nicht nur auf das Geschäft schauen. Letztlich wird bei uns – und nicht nur bei uns – das Geschäft erst dann wieder richtig laufen, wenn wir die Pandemie halbwegs im Griff haben.

Wird es dann einen Nachholeffekt geben?

Das glaube ich nicht. Die Menschen essen nach einer Krise auch nicht mehr Schnitzel, weil sie eine Zeitlang auf einen Restaurantbesuch verzichten mussten. Um vermehrt in Urlaub zu fahren, brauche ich nicht nur mehr Geld. Ich brauche auch mehr Zeit, muss das mit dem Arbeitgeber und der Familie abstimmen. Wenn wir den Deutschen im nächsten Jahr nicht vier Wochen Sonderurlaub geben, wüsste ich nicht, wie sich ein Nachholeffekt einstellen soll. Das ist aus meiner Sicht reines Wunschdenken.

Guido Wiegand ist in der Unternehmensleitung von Studiosus Reisen für Marketing und Vertrieb verantwortlich. Der 58-Jährige hat Schriftsetzer und Marketingfachkaufmann gelernt. Wiegand begann seine Karriere bei einer Werbeagentur und wechselte 1993 als Marketingleiter zu Studiosus. Seit 1996 gehört er zur Unternehmensleitung.

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