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12. Juli 2022 | 17:03 Uhr
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"Ohne Cookies wird das Marketing besser denn je"

Google verbannt Cookies von Marketingdienstleistern aus dem Chrome-Browser. Das sei keineswegs das Ende des Online-Marketings, glaubt Mathias Gerber (Foto), Direktor für die deutschsprachigen Märkte beim Marketingdienstleister Sojern. Der Umstieg bringe vielmehr einen Qualitätssprung – weg vom gerätebasierten hin zum personenzentrierten Marketing.

Gerber Mathias

Das Ende der Third-Party-Cookies werde das Marketing verändern, ist Sojern-Manager Mathias Gerber sicher

Das Online-Marketing stehe vor einem Umbruch, räumt Gerber im Gespräch mit Reise vor9 ein. Denn Cookies von Drittanbietern – wie unter anderem seinem Arbeitgeber, der digitalen Marketingplattform Sojern – stehen vor dem Aus. Noch heute protokollieren die kleinen Datensätze in den meisten Browsern das Surfverhalten jedes Internet-Users. Für das Marketing ist das hilfreich: Wenn sich ein User beispielsweise bereits einmal für Mallorca-Urlaub interessiert hat, können Online-Marketingdienstleister ihm passende Angebote für Mallorca-Urlaub anzeigen – die Wahrscheinlichkeit für eine Buchung steigt; jedenfalls ist das die Idee.

2023 läutet Google in seinem Browser Chrome für Third-Party Cookies die Cookie-freie Zeit ein. Apples Safari hat bereits seit 2017 keinen Appetit mehr auf Kekse von anderen. Das Marketing der Reisebranche müsse sich darauf einstellen, weiß Sojern-Manager Gerber. Es müsse sich umstellen, und es werde – zumindest in der Umstellungsphase – aufwändiger, glaubt er. Aber der Verlust des Althergebrachten berge auch Chancen für eine "neue bessere Zeit", sagt er, und meint damit sicher nicht, dass Kunden künftig ihre Ruhe vor Verfolgung im Netz haben.

Marketing wir aufwändiger

Solle das Marketing passen und funktionieren, müsse es die Nutzer kennen, so der Marketing-Manager. Cookies hätten bislang allen Marketing-Dienstleistern geholfen, Profile von Internetnutzern zu erstellen, um ihnen passgenau Werbung zu zeigen. Dieses Profiling werde es auch in Zukunft geben, es werde jedoch auf anderen Wegen erfolgen, kündigt er an.

Cookies, wie wir sie kennen, seien ideal für das Retargeting: Wer mal auf einer bestimmten Seite war, sieht auf anderen Seiten auch danach entsprechende Anzeigen. In der Touristik machen Umsätze über das Retargeting nach Gerbers Schätzung bis zu 15 Prozent des Online-Umsatzes aus. Dieser Umsatz werde wegfallen – um so wichtiger sei es, dass sich Unternehmen auf die Cookie-freie Zeit vorbereiteten.

Website und E-Mails werden wichtiger

Unternehmen wie Sojern entwickelten "längst neue Technologien, um ein passgenaues Marketing auch ohne Drittanbieter-Datensatz auf der Festplatte des Users zu ermöglichen", erklärt der Marketingprofi. Auch die Unternehmen selbst seien wach geworden. Laut dem Beratungsunternehmen Phocuswright habe es für 62 Prozent aller touristischen Unternehmen "höchste Priorität", ihre Werbestrategie auf eine Welt ohne Cookies vorzubereiten.

Eine Konsequenz aus diesen Überlegungen sei, dass die eigene Website wichtiger werde, so Gerber. Denn sogenannte First-Party Cookies, also Datenpakete, die auf eigenen Websites gesammelt werden, würden von den Browsern nicht verbannt. Die Homepage gewinne deshalb als Berührungspunkt zum Kunden und als Datenquelle  massiv an Bedeutung. Das bedeute: Sie müsse weiter aufgewertet werden. Attraktive Inhalte, E-Mail-Abfragen, Interaktions-Elemente – all das helfe, Informationen über die Online-Kundschaft zu erhalten. Die Informationen könnten genutzt werden, um etwas über die Interessen, Vorlieben und das Buchungsverhalten der Kunden zu erfahren.

Eine weitere wichtige Informationsquelle seien die guten alten E-Mail-Adressen, erläutert Gerber. Sie würden künftig in verschlüsselter Form zur „zentralen Identifikationsquelle“. Dienstleister wie Sojern würden E-Mail-Adressen von Kunden in eine verschlüsselte Zeichenkombination umwandeln. Mit dieser „Hashed E-Mail“ könnten Reisende online identifiziert und gezielt mit passender Werbung angesprochen werden, ohne ihre Privatsphäre zu verletzen, verspricht der Werber. Werbetreibende täten also gut daran, schon heute die Mail-Adressen ihrer Kunden zu gewinnen. E-Mail-Newsletter und mit einem Login geschlossenen Bereiche könnten dabei helfen. „Je mehr die Unternehmen von ihren Kunden wissen, desto besser wird künftig ihr Marketing“, so Gerber.

Rückgriff auf historische Buchungsdaten

Die dritte wichtige Datenquelle seien historische Buchungsdaten, weiß der Experte. So wanderten nun auch Offline-Buchungsdaten in den Online-Marketingmix und es entstünden genauere Kundenprofile. Zusammen ergäben diese drei Datenquellen "ein solides Bild der Reisenden und ermöglichen es den Vermarktern, sie zielgenau anzusprechen".

Nicht jedes Unternehmen wird diese Aufgaben selbst bewältigen wollen. Technologie-Partner könnten Datenlücken füllen, um historische Buchungsdaten, First-Party-Daten und gehashte E-Mail-Identifikatoren gemeinsam mit eigenen Algorithmen anzureichern, damit erfolgreiche Kampagnen entstünden, rät er, nicht ganz ohne Eigennutz. Für viele Anbieter habe die Notwendigkeit ihre Kunden besser kennenzulernen, durchaus Vorteile, glaubt Gerber. Sie hätten „nun die Chance, authentischere Beziehungen zu ihren Kunden aufzubauen und dabei weniger aufdringliche Methoden zu verwenden“. Die Abkehr vom Cookie ermögliche es der Touristik, "über veraltete Techniken hinauszugehen und ein personalisiertes Erlebnis zu schaffen, das Reisende zum Buchen inspiriert", so der Marketingprofi.

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