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8. Mai 2018 | 12:13 Uhr
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Tui will ran an die

"Wir wollen  die Millennials als Kunden gewinnen", lautete eine zentrale Aussage von Tui-Deutschland-Chef Marek Andryszak, als der Martktführer vergangene Woche sein Programm für den nächsten Winter vorstellte. Der Wunsch danach ist durchaus nachvollziehbar. Zum einen, weil Schlagworte wie Millennials oder „Generation Y“, die für die heute 20- bis 35-Jährigen stehen, Zukunftsorientierung suggerieren und damit als Story für die Börse tauglich sind. Zum anderen aber auch, weil der heutige Pauschalreisemarkt als Standbein von Tui weitgehend gesättigt ist. Um mehr als nur ein bisschen zu wachsen, muss man also Konkurrenten Marktanteile abjagen – was in jüngster Vergangenheit recht gut funktionierte – oder sich neue Zielgruppen erschließen.

Andryszaks Kunden der Zukunft sind gut ausgebildet, berufstätig und verfügen über ein hohes Einkommen, von dem sie einen  überdurchschnittlich hohen Teil für Reisen ausgeben. Allerdings verirren sich die wenigsten von ihnen auf die Websites von Tui & Co. und noch weniger Vertreter der Generation nutzen das Reisebüro als bevorzugten Buchungsweg. Um die Gruppe besser zu erreichen, ließ Tui ihre Berliner Technikschmiede die mobile Hotelbuchungsseite für Smartphones aufbohren (mehr dazu hier). Außerdem steigert der Konzern seine Aktivitäten auf Social Media wie Instagram und Facebook.

Kochkurse und Baumhäuser. Auch auf der Produktseite versucht man sich in einer Anpassung an die Wünsche der auf Individualität und Erlebnisse gepolten Zielgruppe – zum Beispiel mit Kochkursen, Ausfahrten mit lokalen Fischern und Übernachtungen in Baumhäusern auf Sri Lanka,  Tuk-Tuk-Ausflügen im Norden Thailands oder hippen Taucher- und Surfer-Lodges in Ägypten. Insgesamt steckt die Millennial-Offensive des Reiseriesen auf der Produktebene allerdings noch in den Kinderschuhen. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn er „Aqua Balance“, eine Art Pool-Gymnastik auf mit Luft gefüllten Matten, die nun in den Adults-only-Anlagen von Sensimar angeboten wird, zur "Trendsportart" stilisiert.

Argument Sicherheit. Warum sollte sich also der Nachwuchs  von den Bookings, Airbnbs und Tripadvisors dieser Welt verabschieden und Tui buchen? Dafür hat Andryszak eigentlich nur zwei Argumente parat. Zum einen glaubt er, das Tui-Angebot sei mittlerweile individueller als die Milllennials dächten.  Und zum anderen führt er die Sicherheit von Pauschalreisen bei Pleiten, Krisen und Mängeln an.

Ob sich junge, erlebnishungrige Kunden ausgerechnet mit dem Sicherheitsargument hinter dem Ofen hervorlocken lassen, ist allerdings fraglich. Andryszak selbst ist offensichtlich klar, dass das Argument auf tönernen Füßen steht, wenn er sagt: "Zu uns kommen die Leute, wenn das erste Kind da ist." Das Familien ein stärkeres Sicherheitsbewusstsein haben als individuell reisende Backpacker, ist freilich nichts Neues. Insofern erklärt die Fokussierung auf das Sicherheitsargument am ehesten, warum die klassischen Reiseveranstalter einen großen Teil der jungen Klientel nicht erreichen.

Intensiver Wettbewerb. Hinzu kommt, dass die Konkurrenz, die bereits zuhauf maßgeschneiderte Angebote für Millennials parat hält, groß ist. Nicht zuletzt im eigenen Haus, wo die Kieler Gebeco-Marke Go Xpolore seit Jahren erfolgreich Abenteuer- und Erlebnistrips in internationalen Gruppen an diesen Kundenkreis vertreibt. Hinzu kommen immer stärker auftretende internationale Wettbewerber wie Intrepid Travel und G Adventures. Und auch der ehrwürdige Studienreise-Marktführer Studiosus widmet den 20- bis 25-Jährigen mit Marco Polo Young Line Travel schon länger ein umfassendes eigenes Angebot.

Gut möglich also, dass von der großen Millennial-Offensive am Ende nicht viel mehr übrig bleibt als ein bisschen Kosmetik für die Massenmarke Tui. Aber selbst, wenn es so käme, wäre das kein Beinbruch. Schließlich ist das Bemühen, Marken zu „verjüngen“, fast so alt wie das Marketing selbst. Und wenn das ein wenig gelingt, kommt die Frischzellenkur erfahrungsgemäß auch bei der Kundschaft im gesetzteren Alter gut an.

Christian Schmicke

 

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