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14. April 2020 | 15:47 Uhr
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"Es ist an der Zeit, die Touristik neu zu erfinden"

Die Coronakrise sollte die Branche dazu bringen, Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten neu zu denken, fordert Tobias Voigt, Vorstand und Gesellschafter der Kreativagentur Markenmut. Reisebüros sollten sich mit Hilfe von Servicepauschalen unabhängiger von Provisionen und einzelnen Veranstaltern machen und künftig anbieterneutral agieren.

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Es wird nichts besser machen, wenn man sich nicht aus der Opferrolle herausbewegt und zum Gestalter wird. Gestalter der "Nach-Corona-Touristik". Lasst uns die touristischen Wertschöpfungsketten nicht nur kritisch überdenken, sondern neu erfinden. Eine hehre Herausforderung? Ein unmögliches Unterfangen? Mitnichten! Wenn nicht jetzt, wann dann sollen wir anfangen, den vorerkrankten und bereits an der Beatmungsmaschinerie der Staatshilfen hängenden Patienten namens Pauschalreise nachhaltig zu gesunden. Mit Ideen und Konzepten, die sich bis dato keiner getraut hat, zu Ende zu denken. Geschweige denn auszusprechen oder gar zu fordern.

Ein nüchterner Blick auf das Geschäftsmodell der Pauschalreise verrät eigentlich jedem halbwegs betriebswirtschaftlichen denkenden Unternehmer recht schnell, dass das in dem praktizierten Preis-Leistungs-Gefüge in den bestehenden Vertriebsketten nicht lange gut gehen kann. Zugegeben, Covid-19 ist eine wirklich ernstzunehmende Gefahr für die Touristik, so wie wir sie kennen. Aber eben auch eine große Chance, dieses kranke Geschäftsmodell der Pauschalreise nachhaltig mit tiefgreifenden Änderungen zu gesunden.

Denn keine Frage: Es wird ein Post-Covid-19-Szenario geben, in dem die Nachfrage nach Reisen sprunghaft ansteigen, während die Preissensibilität gleichzeitig merkbar abnehmen wird. Genau dann wird sich aber entscheiden, ob die Touristik in eine nächste, von der Gier getriebenen Hausse schwenkt oder ob man schlau geworden ist und aus den Erfahrungen der Vergangenheit die Schätze der Zukunft birgt.

Konkret?

Ein Geschäftsmodell, das unabhängig von Provisionen und damit auch anbieterunabhängig am Markt agiert, was übrigens der Beratungsqualität zusätzlich mehr als guttun würde. Ein Geschäftsmodell, welches einzigartige und nicht kanalübergreifend kopierbare Assets und Services der Reisebüros monetarisiert, die insbesondere nach der Coronakrise nachgefragt werden: Persönliche Beratung und das Kümmern um den Kunden bis zum pünktlichen und komfortablen Heimflug. Wer solch einen Service will, der wird auch bereit sein zukünftig dafür eine Servicepauschale zu zahlen. Für ein anbieterneutrales, individuelles Angebot genauso, wie für die Buchung und Abwicklung über einen persönlichen Ansprechpartner.

Und wer weiterhin zum kleinstmöglichen Preis und ohne Rücksicht auf die dahinter stehenden Jobs, Familien und Leistungserbringer in den Pauschalurlaub will, der kann das ja weiterhin über eins der Vergleichsportale bei einem dieser Veranstalter buchen, die jetzt gerade ihre Hotlines schließen und gestrandete Gäste ans Auswärtige Amt verweisen. Ganz nach Belieben ist dann für jeden etwas dabei. Nur im Reisebüro ist es eben fachlich betreutes Reisen, was seinen Wert hat und auch honoriert werden will. "Das wird nicht gehen", höre ich schon die Antwort. Doch – man muss es nur machen. Gemeinsam, zusammen und ohne Ausnahme. Denn auch die Veranstalter hätten die einmalige Chance, mit den eingesparten Provisionen nicht den nächsten Preiskampf anzuzetteln, sondern die Profitabilität Ihrer Produkte wieder so zu sichern, dass auch mal Krisen aus eigener Kraft und ohne Staatshilfen durchgestanden werden können.

Gutscheine sind keine Lösung

Das ganze Dilemma zeichnet sich dann in der laufenden Gutscheindebatte ab. Dabei ist das nichts anderes als der nächste verzweifelte Versuch von Leistungsträgern und Veranstaltern, der Krise mit einem nächsten Aufschub für den hochkranken Patienten „Pauschalreise“ Herr zu werden. Glaubt das jemand wirklich, dass das die Lösung ist und Kunden so ein Spiel auch noch massenweise mitmachen? Und wie soll dann bitte das Geschäftsmodell Reisebüro im Buchungsjahr 2021 aussehen. Gibt es dann "Einlösungsprovisonen" für Gutscheine, die bereits schon einmal bei der Ursprungsbuchung verprovisioniert wurden?

Deshalb nützt es auch niemanden im gesamten touristischen Ökosystem, wenn Flugzeuge von Carriern geparkt werden und zeitgleich der Flugplan 2021 zur Buchung geöffnet wird. Das ist zu kurz gedacht – viel zu kurz – und auf dem Rücken der Partner innerhalb der touristischen Vertriebskette ausgetragen. Denken wir doch lieber darüber nach, medizinische Fracht zu fliegen oder zukünftigen Touristen zumindest kreative Angebote, die neu, innovativ und überzeugend sind zu machen. Das würde helfen.

 

Voigt Tobias

Zum Autor: Tobias Voigt ist Vorstand und Gesellschafter der Markenmut AG. Er zeichnet verantwortlich für das kreative Produkt der Agentur sowie ein Consulting Department für Digital Marketing Automation. Dazu vertritt Tobias Voigt die deutsche Repräsentanz der „New Cannibals“, einem Beratungsunternehmen, das Unternehmen und Organisationen beim Aufbau neuer Wertschöpfungsketten und -quellen unterstützt.

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