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24. Juli 2023 | 12:41 Uhr
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Im TUI-Express durch Europa

Der Reisekonzern setzt auf eine Renaissance des Pauschalurlaubs mit der Bahn. TUI will bis zu zehn Verbindungen für grüne City-Trips anbieten. Der erste Nachtzug nach Prag ist buchbar.

TUI-City-Express

Mit dem City-Express steigt TUI wieder ins Geschäft mit Bahnreisen ein

Venedig, Rom, Budapest, Amsterdam, Brüssel, Paris, Zürich, Wien, Ljubljana – viele der schönsten Metropolen Europas sind umweltschonend per Nachtzug erreichbar. Die Nachfrage für solche grünen Städtereisen wächst. Doch das Angebot ist besonders in Ferienzeiten häufig rasch ausgebucht und die Fahrt allzu oft noch recht lange, unbequem und teuer.

Sebastian Ebel will das ändern. Der Chef des TUI-Konzerns plant, das Angebot an Reisen mit der Bahn auszubauen und mit Partnern ein attraktives europäisches Netzwerk für touristische Zugreisen aufzubauen. Zehn Strecken seien in den nächsten fünf Jahren angepeilt, sagte er unlängst dem Berliner Tagesspiegel. Zum Beispiel von Hamburg nach Italien oder zwischen Stockholm, Kopenhagen und Österreich.

TUI könnte ein erfolgreiches Konzept früherer Jahrzehnte wieder aufgreifen. Der eigene "TUI Ferienexpress" brachte einst Urlauber in beliebte Wander- und Baderegionen Europas, zumeist über Nacht. Die Züge gehörten dem Konzern und wurden von der Deutschen Bundesbahn betrieben und gewartet. Die Reisen waren besonders bei Familien beliebt, Ältere erinnern sich gerne an abenteuerliche Fahrten gen Frankreich, Italien, Ungarn oder Jugoslawien. Im Winter ging es per Zug nach Österreich oder in die Schweiz. Auch Autos wurden transportiert.

Flugreisen und Fernziele statt eigener Zugflotte                              

Doch Anfang der 1990er Jahre gab der Tourismuskonzern das margenschwache Geschäft auf und verkaufte seine Zugflotte an die Niederländische Staatsbahn. Fortan konzentrierte sich die TUI auf Flugreisen in die Urlaubszentren rund ums Mittelmeer und auf Fernziele. Diese Art des Reisens jedoch gerät wegen der enormen Klimabelastung zusehends in die Kritik. Alternativen sind gefragt – wohl der Hauptgrund, warum der Konzern nun eine Renaissance der Bahnreisen versucht.

Die Vermarktung der ersten Verbindung hat gerade begonnen. Der "TUI City-Express" verbindet unter anderem Osnabrück und Hannover mit Prag. In der Nacht zu Freitag fährt der Zug hin, in der Nacht zu Montag zurück. "Der Zug bietet 700 Betten, die Preise starten ab 140 Euro in einer Economy Kabine mit Platz für vier Personen", sagt eine TUI-Sprecherin. Buchbar seien die Angebote online, in Reisebüros und beim Kooperationspartner Green City Trip.

Die niederländische Marke gehört zum dortigen Reiseveranstalter Flywise Travel B.V., einem Anbieter von Flugpauschalreisen. Mitinhaber Hessel Winkelman kündigte voriges Jahr den Start eines eigenen Nachtzugnetzes mit 14 Zielen an. Bisher allerdings gibt es online bei Green City Trip nur den Nachtzug von Amsterdam bis nach Dresden und Prag mit vier Zu- und Ausstiegen in NRW und Niedersachsen. Fünftägige Pauschalreisen mit Hin- und Rückfahrt im Liegewagen sowie zwei Übernachtungen im Stadthotel werden dort ab 224 Euro angeboten.

Nachtzug von Green City Trip befördert 720 Gäste

Der TUI-Konzern will auf Nachfrage noch nicht verraten, mit welchen weiteren Partnern das neue Netzwerk aufgebaut werden soll. Es laufen Gespräche dazu, heißt es. Der erste Zug von Green City Trip besteht aus 16 Waggons, die mit bis zu Tempo 140 von einer modernen Siemens Vectron-Lok gezogen werden. Das Hotel auf Schienen ist 468 Meter lang und kann bis zu 720 Passagiere aufnehmen. Die Gäste können in Liegewagen mit vier oder fünf Plätzen pro Abteil übernachten oder bequemer und teurer in Schlafwagen mit Kabinen für bis zu zwei Personen. 

Allzu viel Komfort sollten Reisende nicht erwarten. Die allermeisten Nachtzüge in Europa stammen aus dem vorigen Jahrtausend, weil lange Zeit kaum noch ein Bahnunternehmen in das komplexe Geschäft investiert hat. Nach dem Start der Billigflieger rollten immer mehr Züge aufs Abstellgleis, auch die Deutsche Bahn AG gab mit Duldung der Politik alle Nacht- und Autozüge auf. Einen Teil der Flotte und Verbindungen übernahmen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) und wurden damit zum führenden Anbieter auf dem Kontinent.

Im Nachtzug von Green City Express teilen sich bis zu fünf Reisende ein Abteil. Die Sitzplätze werden zum Schlafen umgebaut und an der Wand befestigte Betten ausgeklappt. Dabei kann es schon recht eng werden, man sollte den Kontakt mit fremden Menschen nicht scheuen. Im besten Fall entstehen nette neue Bekanntschaften. In die oberen Betten kommt man per Leiter, etwas beweglich sollte man dazu schon sein. Besonders wenn man nachts mal auf eine der beiden Toiletten an den Wagenenden muss. Bettwäsche- und Frühstückspaket sind extra zu buchen.

Kein W-Lan an Bord – aber 93 Prozent CO2 weniger

In jedem Wagen sind separate kleine Kabinen mit Waschbecken vorhanden, aber keine Duschen wie in manchen anderen Nachtzügen. Die teureren Abteile in den Schlafwagen haben zumindest ein eigenes Waschbecken. Essen und Trinken sollte mitgebracht werden, es gibt keinen Speisewagen, sondern nur einen "Café-Point", wo man morgens Kaffee, Tee und Snacks kaufen kann. In den Schlafwagen kommt ein Steward mit dem Cateringwagen vorbei. 

Auch W-Lan an Bord fehlt. Den Reisenden wird empfohlen, ein vorher paar lustige Filme und Serien für den Zeitvertreib herunterzuladen und Zusatzbatterien fürs Handy und Laptop mitzubringen, denn auch die Anzahl der Steckdosen ist begrenzt. Bahnreisen sei anders und umweltschonend, wirbt der Anbieter: "Verlangsamen Sie, genießen Sie die Reise, während die Landschaft vorbeizieht." Die Zugreise spare 93 Prozent CO2-Emissionen gegenüber dem Fliegen: "So retten Sie unsere schöne Natur."

Das Netzwerk Back-on-track Deutschland begrüßt den Plan von TUI, das Angebot von Bahnreisen auszubauen. "Die Veranstalter sehen, dass der Bedarf da ist und die Nachfrage bei Nachtzügen enorm wächst", sagt der Vorsitzende Juri Maier. Dringend nötig seien attraktive Angebote mit neuen und modernen Schlaf- und Liegewagen, daran fehle es bisher. Damit aber Konzerne wie TUI investieren und nicht nur vorhandenes betagtes Material nutzen, müsse die Politik endlich europaweit für bessere Rahmenbedingungen sorgen.

Thomas Wüpper

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