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4. Juli 2022 | 07:00 Uhr
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Wenn die Digitalisierung das Problem ist

Die Digitalisierung der Kundenkontakte durch Airlines und Veranstalter schaffe keine Lösungen, sondern gehe auf Kosten der Reisenden und Reisebüros, kritisiert Reisebüroinhaberin Christin Hoffmann (Foto). Für wichtige Anliegen sei oft niemand erreichbar und die IT-Systeme seien störanfällig.

Hoffmann Christin

Christin Hoffmann hält die Digitalisierungsstrategie von Veranstaltern und Airlines für verfehlt

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Eigentlich läuft es gut bei Christin Hoffmann. Zum Jahreswechsel hat sie ein Reisebüro im sächsischen Werdau übernommen und ihren Standort damit von Zwickau in die nahe gelegene Kreisstadt verlegt. Nun betreibe sie das älteste Reisebüro im Osten, sagt Hoffmann, gegründet im Dezember 1989. Die Reisenachfrage sei stark, die Geschäfte entwickelten sich prächtig.

Doch es gibt da etwas, das der erfahrenen Reisebüroinhaberin gewaltig auf die Nerven geht: der Zwang, mit den Leistungsträgern über Apps und ähnliche Tools zu kommunizieren, wie sie es nennt. Das sei nicht nur unpersönlich. Fast täglich funktioniere irgendeine Veranstalter- oder Airline-Website, App oder Kundenseite nach dem Muster "Meine XYZ" nicht, ärgert sich Hoffmann. Außerdem sei es ärgerlich, dass man sich bei jedem der Anbieter erst einmal in dessen individuelles System einloggen müsse. Allein das koste Zeit.

"Zwang" zur App-Nutzung

"Ich habe mittlerweile eine zehnseitige Login-Liste", sagt die Reisebürokauffrau. Dass die Digitalisierung die Erreichbarkeit der Dienstleister verbessere, hält sie für ein Gerücht. Sowohl Veranstalter als auch Fluggesellschaften seien oft "nicht erreichbar, wenn es brennt". Die Kommunikation erfolge gar nicht oder spät.

Dabei hat die Mittvierzigerin gar nichts gegen digitale Kontaktmöglichkeiten. Die seien in Ordnung, wenn es sich, wie etwa bei Schauinsland Reisen, um zusätzliche Kommunikationsangebote handele, sagt sie. Den Zwang, darüber zu kommunizieren, hält sie jedoch für fatal.

Digitalisierung als Sparmaßnahme

Viele Anbieter, darunter TUI, hätten die physische Präsenz von Ansprechpartnern in den Zielgebieten drastisch reduziert, berichtet die Reisebürochefin. Die angebliche Erreichbarkeit rund um die Uhr sei eine Farce, in Wahrheit handele es sich um eine Sparmaßnahme. In einer aktuellen Counter-vor9-Umfrage bestätigen zahlreiche Kommentare anderer Reisebüroprofis diese Einschätzung.

Die Konzentration der Anbieter auf digitale Kanäle sei auch deshalb eine Zumutung, weil nicht jeder Kunde auf diese Weise kommunizieren könne oder wolle, fügt Hoffmann hinzu. "Unsere Kunden sind im Schnitt etwa 55 Jahre alt," erläutert sie. Gerade unter den Älteren sei nicht jeder online oder mit dem Smartphone unterwegs: "Es gibt hier in der Region Gegenden, in denen gar kein Internet verfügbar ist."

Überforderte Kunden und Reisebüros

Die Strategie der Anbieter überfordere viele Kunden, die dann mit ihren Problemen wieder im Reisebüro auf der Matte stünden und dort für Überlastung sorgten, kritisiert Hoffmann. Manche von ihnen seien von der komplizierten Abwicklung und häufiger Reisehindernisse so genervt, dass sie schon angekündigt hätten, lieber keine Flugreisen mehr anzutreten.

Auch die Entscheidung von Veranstaltern wie FTI, keine Kataloge mehr zu drucken, sieht Hoffmann skeptisch. "Ich bin dauernd dabei, Angebot auszudrucken, weil meine Kunden etwas in den Händen haben wollen", sagt sie. Dasselbe gelte für digitale Reisebestätigungen. "Wenn Kunden eine Kreuzfahrt für 20.000 Euro buchen und sich ihren Kofferanhänger selbst ausdrucken sollen, ist es um die Wertschätzung schlecht bestellt."

"Der Aufwand steigt ins unermessliche und wird einfach auf Kunden und Reisebüros abgewälzt", so Hoffmann. "Die Digitalisierung geht, so wie sie gehandhabt wird, komplett auf Kosten von uns und unseren Kunden."

Christian Schmicke

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