Buchtipp: "Betriebsstörung"
Verspätete Züge, marode Infrastruktur, riesige Finanzlöcher: In seinem kürzlich erschienenen Buch „Betriebsstörung“ skizziert der Wirtschaftsjournalist Thomas Wüpper, wie es so weit kommen konnte und beschreibt, dass der Staat der Bahn jahrzehntelang öffentliche Mittel zuschusterte, ohne ihre Verwendung zu kontrollieren.
Der Autor, der auch für Reise vor9 schon aktiv war, ist eigentlich bekennender Bahnfan. Er nutzt sie regelmäßig: Fern- und Regionalzüge der DB, manchmal die Flixtrains und vor allem die S-Bahn an seinem Wohnort Berlin. Das klappe auch oft, räumt er ein. Dennoch fällt sein Urteil über den Staatskonzern verheerend aus. Viel zu lange habe sich die Konzernleitung auf den Ausbau anderer Geschäfte vor allem im Ausland konzentriert, weil sie sich davon mehr Rendite versprochen habe, kritisiert er. Das Kerngeschäft, in Deutschland Züge pünktlich von A nach B zu fahren, sei vernachlässigt worden.
In den Führungsetagen gebe es kaum Leute, die aus dem operativen Bahngeschäft kämen. Oft höre er daher, dass in den Leitungsebenen im Berliner DB-Tower das Verständnis für die Arbeit von Lokführern und Zugbegleitern fehle, ebenso wie der Sinn für die Wünsche der Passagiere.
Profit statt Gemeinwohl
Ein weiterer Faktor, den Wüpper in seinem Buch seziert, sind politische Fehler. Die Experten vom Bundesrechnungshof und der Monopolkommission kämen in ihren Berichten immer wieder auf ein Grundproblem, das in der Bahnreform 1994 angelegt worden sei, sagte der Journalist kürzlich in einem Interview mit Web.de. Die staatliche Infrastruktur, die ja auch von den Bahn-Konkurrenten auf der Schiene genutzt werde, werde vom DB-Konzern und seiner Tochter DB Netz AG gesteuert. Das seien aber gewinnorientierte Unternehmen, die bei der Infrastruktur nicht das Gemeinwohl und fairen Wettbewerb als Ziel hätten, sondern möglichst hohe Profite.
Auch künftig solle jedes Jahr Steuergeld im zweistelligen Milliardenbereich an den Konzern fließen, weiß der Bahnexperte. Es werde von der Politik aber nicht sichergestellt, dass das viele Geld effizient eingesetzt werde. Im Gegenteil, trotz immer höherer Zuschüsse sei die Infrastruktur zusehends "verlottert". Eine exakte Zweckbindung fehle. Inzwischen seien 1.250 Bahnbrücken sehr marode, viele Stellwerke veraltet, es gibt verschiedene Standards und immer weniger Mitarbeiter, die mit der alten Technik noch umgehen könnten.
Ineffiziente Strukturen, teure Projekte
Neben dem Investitionsstau liege das Hauptproblem in ineffizienten Strukturen und unwirtschaftlichen Projekten wie Stuttgart 21, wo mittlerweile ein Finanzloch von mehr als fünf Milliarden Euro klaffe, analysiert Wüpper. Dabei werde das Geld für wichtigere Vorhaben gebraucht. Dass die Bahn im Zuge des Klimapakets zusätzliche Mittel erhalten soll, begrüßt der Bahn-Experte – jedenfalls im Grundsatz. Er warnt jedoch im Interview, der Konzern dürfe keine Blankoschecks erhalten. Vielmehr solle das Geld in einen Infrastrukturfonds investiert werden, mit dem das Netz und Bahnhöfe modernisiert werden.
Wüppers Buch "Betriebsstörung" ist eine gute Lektüre für alle, die sich immer mal wieder fragen, warum bei der Bahn so viel schief läuft. Der Autor hat dazu zahlreiche Hintergrundinformationen zusammengetragen und analysiert die Entwicklungen treffsicher. Das 264-seitige Werk, ISBN 978-3-96289-052-0, ist im Christoph-Links-Verlag erschienen und kostet 15 Euro.