Bahn verteidigt Nullprovision und regt Servicegebühren an
Die Deutsche Bahn will trotz der scharfen Kritik aus der Tourismusbranche an ihrem neuen Provisionssystem festhalten, mit dem viele Agenturen überhaupt keine Vergütung mehr für den Verkauf von Bahntickets erhalten. In einer Stellungnahme gegenüber Reise vor9 verweist die Bahn auf ein neues Buchungsportal für Reisebüros und verweist auf Servicegebühren.
Die Bahn spiele "im Produktmix der Reisebüros in den letzten Jahren eine untergeordnete Rolle", so eine Bahn-Sprecherin auf Anfrage von Reise vor9. Der DB-Umsatzanteil in den Reisebüros belaufe sich laut aktuellem DRV-Reisebüro-Barometer 2018 auf "deutlich unter drei Prozent". Reisende buchten inzwischen "jedes zweite DB-Ticket digital im DB Navigator oder auf bahn.de – im Fernverkehr sind es sogar vier von fünf Tickets, Tendenz weiter steigend", so die Bahn. Über Reisebüros laufen nach Konzernangaben dagegen nur noch vier Prozent der DB-Ticketeinnahmen im Fern- und Regionalverkehr.
Mit "Bahn Easy" sollen mehr Reisebüros Fahrscheine verkaufen
Zuvor hatte der Deutsche Reiseverband (DRV) die künftige Nullprovision für viele Agenturen als "eine strategisch komplett falsche Entscheidung" des Staatskonzerns kritisiert. Der Reiseverband warnt, dass künftig noch mehr Reisebüros keine Fahrkarten mehr verkaufen und auch keine Beratung mehr anbieten, wenn sie daran überhaupt nichts mehr verdienen. Dagegen verteidigt DB Vertrieb das neue Agenturmodell, das ab 1. Januar 2023 gelten soll. Mit "Bahn Easy" werde ein kostenfreies Online-Buchungstool für Reisebüros eingeführt.
Bahn Easy ermögliche "potenziell ca. 8.000 Agenturen deutschlandweit, die bisher keine Bahn-Tickets verkaufen, Bahnangebote in ihr Verkaufsportfolio aufzunehmen", so die Sprecherin. Ziel sei, dass sich "auch in der Fläche so viele Kunden wie möglich ihre Bahnfahrkarten mit persönlicher Beratung in einem Reisebüro kaufen können". Seit Ende 2021 werde Bahn Easy im Rahmen eines Pilotprojekts mit knapp 50 Reisebüros getestet und weiterentwickelt.
Agenturen sollen sich über Servicegebühren finanzieren
Nach dem neuen Modell erhalten aber nur noch vergleichsweise wenige Agenturen künftig eine Provision von einheitlich fünf Prozent auf Fernverkehrsangebote. Dabei geht es um jene stationären Vertriebsstellen in oder um Bahnhöfe, die von den Aufgabenträgern der Bundesländer für den Regionalverkehr in den Verträgen mit der Bahn vorgeschrieben werden. Dort sind in der Regel auch die Vergütungen für Verkauf von Tickets für Regionalzüge festgelegt.
Reisebüros jedoch, die keine Verpflichtung aus einem Verkehrsvertrag erfüllen, "erhalten künftig keine Provision auf Nah- und Fernverkehrsangebote", bestätigt der Konzern. Die Sprecherin ergänzt, es sei "in der Reisebürobranche üblich, Servicegebühren zu erheben, so zum Beispiel bei Flugbuchungen und zunehmend auch bei Pauschalreisen". Offen bleibt, ob solche Zuschläge nicht dazu führen, dass Reisende auf den Ticketkauf und eine Bahnreise verzichten.
Sofern noch mehr Agenturen künftig keine Fahrkarten mehr verkaufen, wird es noch schwieriger, persönliche Beratung in Reisebüro zu finden. Noch Anfang des Jahrtausends konnte man sich bundesweit von rund 3.200 Agenturen zu einer Bahnreise beraten lassen und bekam die passenden Tickets. Anfang vorigen Jahres waren davon nur noch 1.736 übrig. Viele Reisebüros haben ihre DB-Lizenz bereits aufgegeben, weil der DB-Konzern in den letzten anderthalb Jahrzehnten seine Vergütungen Zug um Zug verschlechtert hat.
Thomas Wüpper