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1. Dezember 2025 | 07:00 Uhr
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Wie der VUSR zum Branchenverband werden will

Der VUSR öffnet sich bekanntlich für Reiseveranstalter und andere touristische Dienstleister. Im Reise-vor9-Podcast erläutert die Vorsitzende Marija Linnhoff (Foto), warum der Verband ihrer Meinung nach nur mit einem Mandat für die gesamte Wertschöpfungskette wirksam für die Branche sprechen kann.

Linnhoff Marija

Marija Linnhoff will mit ihrem Verband künftig nicht nur für Reisebüros sprechen

Der Reisebüroverband VUSR will sich künftig als Interessenvertretung der gesamten touristischen Wertschöpfungskette positionieren. Auf der jüngsten Mitgliederversammlung haben die Reisebüros beschlossen, den Verband für Reiseveranstalter und weitere Dienstleister wie Technikanbieter oder Versicherer zu öffnen. Diese konnten bislang nur Fördermitglieder sein.

Die Verbandsvorsitzende Marija Linnhoff berichtet im Reise-vor9-Podcast von einer intensiven, drei Stunden langen Debatte. Viele Mitglieder hätten zunächst befürchtet, die klare Ausrichtung auf Reisebüros könnte verwässert werden. Am Ende stand dennoch ein deutliches Votum: Bis auf zwei Enthaltungen stimmten alle für die Öffnung. Für den Vorstand war klar, dass ein knappes Ergebnis die Reform verhindert hätte.

Linnhoff begründet den Schritt mit der engen Verflechtung der Akteure. Gehe es Pauschalreiseveranstaltern gut, profitierten automatisch die Reisebüros. Und wenn Fluggesellschaften stabil wirtschafteten, helfe das wiederum den Veranstaltern. Interessen müssten in dieser Wertschöpfungskette gemeinsam vertreten werden.

Drei Säulen und einheitliches Stimmrecht

Künftig soll der Verband auf drei Säulen stehen: Veranstalter, Vertrieb und Sonstige. Jede Säule wählt eine Sprecherin oder einen Sprecher, die eng mit dem Vorstand zusammenarbeiten und die Anliegen ihrer Gruppen bündeln.

Am Prinzip "ein Unternehmen, eine Stimme" will der VUSR festhalten. Die Beitragshöhe richtet sich weiter nach der Zahl der Mitarbeiter, der Höchstbeitrag bleibt laut Linnhoff bei 5.000 Euro. Filialbetriebe können wie bisher mehrere Stimmen haben, wenn jede Einheit eigenständig Mitglied ist. Stimmen lassen sich nach ihren Worten nicht "kaufen", unabhängig davon, ob es sich um große Konzerne oder mittelständische Anbieter handelt.

Schon jetzt gebe es Rückmeldungen von Veranstaltern, die bislang weder Mitglied noch Fördermitglied waren, sagt die VUSR-Chefin. Zunächst müssten jedoch Satzungsänderung und neue Struktur formal eingetragen werden. Fördermitglieder würden im Detail informiert, was das neue Stimmrecht bedeutet.

Konflikte im Verband bearbeiten statt gegeneinander

Die Öffnung soll helfen, bekannte Konfliktlinien innerhalb der Branche besser zu bearbeiten. Unvergütete Mehrarbeit im Reisebüro, strittige Vergütungsmodelle oder Serviceaufgaben, die eigentlich bei Veranstaltern oder Airlines liegen, nennt Linnhoff als Beispiele.

Statt diese Themen nur öffentlich auszutragen, setzt sie auf strukturierte Gespräche "unter einem Dach". Sprecher der drei Säulen und der Vorstand sollen Lösungen entwickeln, ohne dass jede Auseinandersetzung sofort in der Öffentlichkeit stattfindet. Kompromisse seien möglich, betont sie, wenn alle Beteiligten bereit seien, sich an einen Tisch zu setzen und von Maximalpositionen abzurücken.

Als Beispiel nennt Linnhoff das Verhältnis zu TUI und der Dertour Group. Nach Jahren der Konfrontation habe sich eine sachorientierte Gesprächsbasis entwickelt. Sie verstehe inzwischen stärker auch die wirtschaftliche Seite der Veranstalter, halte aber an der Rolle des VUSR als Kämpfer für den stationären Vertrieb fest – mit klarem Fokus auf die eigenen Mitglieder.

EU-Pauschalreiserichtlinie und verbundene Reiseleistungen

Ein weiteres Kernthema ist für Linnhoff die Reform der EU-Pauschalreiserichtlinie. Ziel sei, die Kategorie der verbundenen Reiseleistungen abzuschaffen und künftig nur noch zwischen Pauschalreisen und Einzelleistungen zu unterscheiden. Vorab habe der Verband mit Mitgliedern geprüft, ob Reisebüros ohne verbundene Reiseleistungen auskommen. Nach Linnhoffs Darstellung ist das möglich, wenn die Büros die Regeln der Vermittlung konsequent beachten, etwa bei der Ausweisung von Serviceentgelten beim reinen Flugverkauf.

Linnhoff verweist auf Signale aus Brüssel, wonach die diskutierte Drei-Stunden-Regel vom Tisch sei. Die noch im Raum stehende 24-Stunden-Regel bewertet sie kritisch, setzt aber auf Spielräume bei der nationalen Umsetzung. Deutschland und insbesondere der Reisevertrieb nähmen eine Sonderstellung ein, die zu berücksichtigen sei.

Ein wichtiges Motiv für die Abschaffung verbundener Reiseleistungen sieht sie auch in der Wettbewerbsfrage. Plattformen, die solche Leistungen vermittelt hätten, ohne in Absicherungsfonds einzuzahlen, dürften aus ihrer Sicht nicht auf dieselbe Absicherung zugreifen wie klassische Pauschalreiseveranstalter, die diese Fonds finanzieren.

Nachwuchs, Kosten und Zukunft des stationären Vertriebs

Neben Strukturfragen und EU-Regeln rückt Linnhoff die Zukunftsfähigkeit des stationären Vertriebs in den Fokus. Viele Reisebüros sorgten sich zu Recht um ihre Existenz – bedingt durch demografische Entwicklungen, fehlenden Nachwuchs und technologische Veränderungen wie Künstliche Intelligenz.

Sie räumt ein, dass der VUSR beim Thema Nachwuchs bislang wenig sichtbar war, sieht den Verband mit der Öffnung nun aber stärker in der Verantwortung. Geld werde in der Branche aus ihrer Sicht häufig in kostspieligen Events statt in Sachlobbyarbeit oder konkrete Lösungen investiert. Mittel könnten gezielter für Nachwuchsprogramme und die Vergütung von Mehrarbeit eingesetzt werden.

Christian Schmicke

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