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30. Oktober 2019 | 07:00 Uhr
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VUSR will zur Not auf Staatshaftung klagen

Der Reisebüroverband fordert, dass der Staat für eine mögliche Differenz zwischen den Ansprüchen von Thomas-Cook-Kunden auf Rückerstattung gezahlter Beträge und der Höchstgrenze der Kundengeldabsicherung von 110 Millionen Euro zahlen muss.

Gericht

Bis vor den EuGH will der VUSR notfalls ziehen

Die Bundesregierung habe ihre Pflicht, für eine ausreichende Kundengeldabsicherung zu sorgen, vernachlässigt, argumentiert der VUSR. Im Gespräch mit Reise vor9 macht die Vorsitzende Marija Linnhoff deutlich, dass sie zur Durchsetzung ihres Anliegens bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen würde. Wenn das Versprechen, dass die Kundengelder bei Pauschalreisen abgesichert seien, nach der Pleite von Thomas Cook nicht eingelöst werde, erschüttere dies das Vertrauen in die Pauschalreise und in die gesamte Branche, sagt sie. "Deshalb muss die Bundesregierung unmissverständlich erklären, dass alle Kunden ihre gezahlten Beträge für nicht durchgeführte Reisen zu 100 Prozent zurückerhalten", fordert Linnhoff.

Für die juristische Voraussetzung, um als Kläger auftreten zu können, hat der VUSR im Vorfeld gesorgt. Im August wurde auf Rechnung des Verbandes eine Thomas-Cook-Reise, die im Oktober stattfinden sollte, für eine Bloggerin gebucht. Dem Umstand, dass nur klagen kann, wer betroffen ist, wird damit Rechnung getragen.

Warnungen gab es seit Jahren

Mit seiner Kritik, dass die Höchstgrenze, bis zu der Versicherer für Kundengelder bei einer Veranstalterpleite einstehen müssen, nicht mehr den heutigen Anforderungen entspricht, steht der VUSR nicht alleine da. Verbraucherschützer und die Fraktionen von Grünen und Linken im Bundestag fordern schon länger eine Anhebung des Höchstbetrages von derzeit 110 Millionen Euro. In einem Papier des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV) aus dem Jahr 2016 heißt es: "Der Höchstbetrag der von einem einzelnen Kundengeldabsicherer pro Geschäftsjahr zu leistenden Zahlungen (§ 651r BGB-E) ist auf 250 Millionen Euro anzuheben."

Weiter führen die Verbraucherschützer aus: „Die vier Marktführer erreichen nach den aktuellen Zahlen Umsätze, die mit einem Deckelungsbetrag von 110 Millionen EUR nicht mehr adäquat abzusichern sind, und zwar bereits bei der Insolvenz eines einzelnen dieser vier Unternehmen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Insolvenz eines Großveranstalters unwahrscheinlich ist. Es ist allgemein bekannt, dass das zweitgrößte Unternehmen in den letzten Jahren mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Die weitere Marktentwicklung ist für kein Unternehmen vorauszusehen.“ Auf eine entsprechende Schieflage habe bereits der Vorgängerverband AgV im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Zweiten Reiserechtsänderungsgesetzes im Jahre 2001 hingewiesen.

Bundesregierung in der Klemme

Das lässt Aussagen von Regierungsvertretern, laut denen „mit einer Insolvenz von der Dimension der Thomas-Cook-Pleite niemand habe rechnen können“, ziemlich alt aussehen. Über die Verantwortung für die Fehleinschätzung sind die Fraktionen im Bundestag uneins. In einer Mitteilung aus dem Tourismusausschuss vom vergangenen Donnerstag ist zu lesen: "Die Entschädigungsregelung geht auf die seit 1990 mehrfach novellierte Pauschalreise-Richtlinie der Europäischen Union zurück. Unter anderem ist hier davon die Rede, dass gegebenenfalls auch der Staat für gravierende Versäumnisse haftbar ist, wenn etwa "qualifizierte Verstöße" gegen die Richtlinie vorliegen. Ob davon im Fall Thomas Cook die Rede sein kann, ist nach Ansicht der Bundesregierung noch zu prüfen. Die Richtlinie lasse einigen 'Gestaltungsspielraum'. Mit der grünen und linken Opposition ließe sich argumentieren, dass die Politik es versäumt habe, die Haftungsobergrenze von jährlich 110 Millionen rechtzeitig den absehbar steigenden Risiken anzupassen."

Christian Schmicke

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